Tag 9 – 10 km Bushwalking mit Aussicht (und was für einer)

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Was für ein Tag! Während ich eiskalte Kirschen esse und den Vögeln vor dem Fenster zusehe und zuhöre, versuche ich diesen Tag zusammenzufassen, doch das fällt mir weitaus schwerer als die 10 km-Wanderung, die ich heute alleine gesucht, gefunden, gemacht und genossen habe.

Der Grund für die Schwierigkeiten liegt nicht primär in einer gewissen Müdigkeit (jedes Mal vergesse ich, wie viele Hügel und Berge die einzelnen Buchten voneinander trennen) und auch nicht primär in dem Rückensonnenbrand, den ich mir eingefangen habe, weil ich es verabsäumt habe, vo rmeiner Abreise ausgiebiges Stretching der Arme zu betreiben. An den Stellen, zu denen ich nämlich nicht hinkomme, glüht die Haut jetzt unschön rot – quasi Ton in Ton mit den Kirschen, die sich allerdings anders als diese Hautpartien herrlich kühl anfühlen. Nein, die Schwierigkeit liegt darin, einen Tag festzuhalten, auf dem ich sicher 37 Mal gedacht habe: Oh. My. God. Wie schön ist das hier! Und so unglaublich dankbar war, dass ich das hier machen darf, kann und auch mache. Meine Freundin Val hat es treffend mit den Worten zusammengefasst: She who dares, wins! Und ich glaube, das trifft den heutigen Glücksnagel ziemlich gut auf den Kopf.

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Die Fakten sind leicht erzählt: angesichts des trockenen Wetters (diese Nacht blieb das angesagte Gewitter ganz aus) und der noch relativ kühlen Morgentemperaturen ziehe ich bereits gegen 7:30 Uhr los, vorbei an einer Bäckerei und bewaffnet mit Rucksack mit minimalem Badezeugs, zwei kleinen Wasserflaschen und sonst nicht viel. Noch ist das Wetter unschlüssig, ob es das Gewitter vielleicht doch noch nachholen soll, was mich etwas verunsichert. Auf der 10km-Strecke gibt es in meiner Erinnerung kaum bzw. keine Möglichkeiten, um ein Gewitter auszusitzen oder zumindest auszustehen. Doch nach den ersten – noch asphaltierten – 2 km gibt mir der Himmel ein Zeichen. Ich darf unbesorgt wietergehen. Was ich auch tue – zügig wenn auch mit unzähligen Fotostopps. Die Vegetation – Palmen, Farnbäume, zahlreiche mir nicht näher bekannte blühende Pflanzen (Neuentdeckung: die kleinen Santa-Mützchen, die hübsch aufgereiht von zarten Sträuchern hängen) – sowie diverse Tiere (Water Dragons, ein Kakadu sowie ein Seestern am Clontarf Beach) – erfordern meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Und das Wassermanagement, denn ich besitze nur zwei kleine Fläschchen, die ich mir so rationiere, dass ich alle 2 km (so es entsprechende Schilder gibt) ein halbes Fläschchen trinken darf, denn unterwegs gibt es kaum Infrastruktur – erst am Clontarf Beach kann ich die Flaschen und mich wieder auffüllen. Für jemanden mit einer Verdurstphobie aus frühen Jugendtagen finde ich mich eigentlich ziemlich cool mit meinen zwei Mini-Bottles. Andererseits: so lustig ist die Rucksackschlepperei auch nicht…

Am Traumstrand von 2013 mit rot-gestreiften Felsen ist leider gerade Flut, weshalb ich von einem Bad Abstand  nehme. Bereits zuvor stellt mich ebendiese vor eine Gewissensfrage, denn am 40 Baskets Beach (an den inklusive seiner High-Tech-WCs ich mich auch noch genau erinnere) finde ich den Weg nicht (besser wäre gewesen, mir diesen zu merken, denn auch damals haben wir danach suchen müssen) und frage zwei Männer, die irgendwann meines Weges kommen. Ich könne entweder von Fels zu Fels hüpfen oder einen Umweg hinter den Häusern vorbei nehmen. Hmm. Hüpfen, ich weiß nicht, die Wanderung ist auch ohne Felskletterung schon ein Test für meine Knie. Vielleicht doch besser den Umweg. Doch der zweite Mann macht die Sache klar: This is a tremendously steep ascent, I would clearly rather jump from rock to rock. Na gut. Gesagt, getan, geklettert (das mit dem Hüpfen lasse ich dann doch lieber aus).

Ansonsten mehr Tiere als Menschen, bis ich gegen Ende der Tour zum Clontarf Beach komme. Dort ist High Life, dem ich mich mit einer Strand- und Meerpause gerne anschließe. Dass ich kurz einschlafe und jetzt einen Sonnenbrand als Souvenir vorweisen kann, reihe ich unter „Dumm gelaufen“ ein und hoffe, dass einem Schlaf auf dem Rücken nichts im Wege steht – auch wenn die Frage bleibt, wie sich Alleinreisende generell so den Rücken eincremen. (Ob das auch einer der netten Bus Driver übernehmen könnte?). Von den Salt & Pepper Calamari von Clonny’s on the Beach werde ich noch länger schwärmen – hier sind wir auch vor zwei Jahren schon auf eine Stärkung eingekehrt, denn Wandern macht sehr hungrig. Dann noch mal 30 Minuten bis zu The Spit (unterwegs wieder mal ein nicht gefundener Cache, grummel), wo ich die Busstation hingegen schnell finde. Leider habe ich nicht bedacht, dass man hier keine Tickets im Bus kaufen kann (Prepay only! und meine Wochenkarte ist gestern ausgelaufen. Was tun? Ich hoffe auf einen der vielen netten Driver (unterlasse aber die Frage mit dem Rückeneincremen) und setze auf mein etwas erschöpftes Aussehen mit unerschütterlich grinsendem Reisegesicht. Und es wirkt: Als ich ihm mein Dilemma erzähle (Wo soll ich hier ein Ticket kaufen, bitte, hier ist einfach nichts.) lässt er mich kostenlos nach Manly mitfahren: No worries, just hop on. Ich frage mich, ob das in Österreich auch möglich wäre, habe aber gewissen Zweifel. Danach das übliche Abschlussprogramm, diesmal mit Heimbummel über den Shelley Beach Wälk und einen Stopp bei einem Roxy-Laden auf neue Flipflops: POOL. Eine ganze Weinflasche frisch aus dem Kühlschrank leeren (keine Angst, nur herrlich kaltes Wasser drin) und gelegentlich im Spiegel die Shades of Red auf meinem Rücken begutachten. Und wieder einmal nicht glauben können, dass man auch im fortgeschrittenen Alter noch so sehr im Moment leben und so unglaublich glücklich sein kann…  

Kleiner Nachtrag: wie schon beim Haialarm in Manly vor ein paar Tagen, als ich gerade in Bondi war, auch heute wieder gutes Timing bzw. Routing! Während ich glücktriefend meine Wanderung mache, wird auf einer Fähre in die Stadt eine verdächtige Tasche entdeckt; alle Fähren werden eingestellt, die gesamte Gegend um den Circular Quay wird evakuiert. Und ich fühle mich ein bisschen schuldig. Denn gestern früh auf der Fähre habe ich einen einsamen Rucksack gesehen und lange überlegt, ob ich diesen melden soll. Dann war beim Aussteigen niemand Offizieller anwesend und ich habe nichts gesagt. Ob das heute derselbe Rucksack war, der seit gestern spazieren gefahren ist? Mehr Zivilcourage, meine Liebe, bitte!

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