Wieder einmal beginnt der Tag befremdlich und früh. Wie schon so oft gibt es ein reges, wenn auch bemüht leises Kommen und Gehen – Essenslieferungen inklusive. Das irritiert mich alles schon kaum mehr. Was mich hingegen schon irritiert, sind seltsame Hüpfgeräusche im langen Gang, vom dem die diversen Zimmer abgehen. Ich habe heuer fast noch gar kein nennenswertes Wildlife gesehen, schon gar nicht in diesem Apartment, wenn man mal von ein paar winzigen Ameisen absieht. Wer aber schon einmal in einem Campervan oder Zelt geschlafen und ein Känguru vorbeihüpfen gehört hat, vergisst das nie wieder. Ich auch nicht. Und genau daran muss ich kurz denken, als es gegen 2 Uhr nachts hüpf-hüpf-hüpf vor meiner Tür macht. Mein erster typisch ich-er Angsthasengedanke: ist meine Tür ohnehin versperrt? Im schlaftrunkenen Zustand habe ich scheinbar noch wüstere Gedanken als im normalen Betriebsmodus. Als ich kurz darauf Pauls Zimmertür quietschen höre, ist alles klar. Er hat sich wohl in der Nacht nicht die Mühe gemacht, seine Prothese anzulegen und hüpft also einbeinig durch die Wohnung.
Kurz vor 6 Uhr weckt mich dann kein vermeintliches Tier, sondern die Dämmerung und ein Schimmer Rosa, der durch die Jalousie fällt. Weil ich für den heute geplanten Ausflug einen längeren Weg vor mir habe, stehe ich mit aller Kraft sofort und in der Sekunde auf und warte bereits um 6:15 Uhr auf den Bus – den Sonnenaufgang nehme ich wortwörtlich im Vorbeigehen mit. Dann folgt ein erstaunlich problemloses Umsteigen in den Zug nach Cronulla, wo ich nach einem kleinen Picknickeinkauf bei Woolworths bereits die Fähre um 8:30 nach Bundeena erwische und den dortigen Strand noch relativ leer und angenehm morgenkühl vorfinde. Das Wasser ist glasklar und unglaublich Türkis. Was soll ich sagen: Fährenfahren in Sydney ist immer ein Vergnügen, und Bundeena ist keine Ausnahme! Strahlender blauer Himmel mit ein paar verfrühten 11-Uhr-Wölkchen, tolle, auf die Hügel gebaute Häuser, Boote und Schiffe, so weit das Auge reicht. Hab ich erwähnt, dass ich vermutlich im falschen Land geboren wurde?
Ich liege erstmals richtig relaxt am Strand, picknicke lecker, wenn auch behelfsmäßig – weil ohne Taschenmesser mit dem winzigsten Löffel, den ich je gesehen und sicherheitshalber bei Emirates eingesteckt habe – und lese, und als die Sonne zu heiß wird, mache ich mich – ordentlich von oben bis unten vom Sand paniert – auf den Weg zum angrenzenden National Park. Sehr weit komme ich aber nicht, denn die Touristeninfo ist abgebrannt und weit und breit ist niemand Kompetenter zu finden, der mir irgendwelche Infos geben könnte, und die wenigen Straßenschilder, die ich finde, sind so nichtssagend und säumen sehr steile Straßen, dass ich das als Wink des Schicksals sehe, an den Strand zurückzukehren, der jetzt schon recht belebt ist. Am frühen Nachmittag bin ich zurück in dem kleinen Vorort Cronulla, den ich bereits mit Max einmal kurz unsicher gemacht habe. Heute kann ich die netten Läden ohne schlechtes Gewissen in aller Ruhe erkunden, muss allerdings meine reiche Zeitschriftenbeute auch selber schleppen – und darf mich nicht damit faul in einen Camper fallen lassen, sondern muss damit Zug und Bus bemühen. Zum Abschluss dieses netten Ausflugs kehre ich im Strandlokal „Next door“ ein und sehe den Surfern wie immer völlig ahnungslos bei ihren Bewerben zu. Zurück im social house lerne ich wieder neue Leute kennen; diese werden heute Abend scheinbar bekocht: ein Schweizer Grafiker, der für Cate arbeitet, ihr obdachloser Freund Darren, der seit Kurzem zwar eine kleine Wohnung hat, aber alle zwei Wochen zum Essen kommt und noch jemand. Glaube ich. Ich bin eingeladen, dazuzustoßen, aber um diese Zeit bin ich vermutlich schon todmüde. Wie immer heißt das Mott: Mal sehen.
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