Was kann man an einem letzten Tag noch groß schreiben? In der Nacht wieder Unwetter, Regen, Sturm, in der Früh unermüdlich das Vogelgekreische, ein Rückblick auf diese sieben Wochen quasi unmöglich. So viel ist passiert, dass mir die Zeit viel länger und gleichzeitig viel kürzer vorkam. Es gab die Hochs, die Tiefs und alles dazwischen. Wie immer an letzten Tagen steht die große Frage im luftfeuchten Raum: Und jetzt? Eine Fülle an Erlebnissen und doch eine gewisse Leere. Ein großer Abschied und eine große Vorfreude.
Nach solchen Reisen fühlt sich das alte Leben immer sehr kleinkariert an, es zwickt unter den Achseln, drückt an ungewohnten Stellen und nimmt einem die Luft zum Atmen – wie ein alter, kratzender Rollkragenpullover, der beim Waschen nicht nur aus- sondern auch eingegangen ist. Das alte Leben ist so weit weg, dass ich wie so oft nicht mehr genau weiß, wie der Alltag so ausgesehen hat, und doch hat er mich normalerweise fest im Griff, sobald er mich am Flughafen erspäht. Kann man ausbrechen, auch aus dem Alltag, dem Leben eine Wendung geben – einfach so, weil man eine andere geworden ist? Oder, viel schlimmer, wird man nie eine andere geworden sein? Wie auch immer, ich befasse mich nun mit dem letzten Tag hier, der auch noch gelebt und genossen werden will. Und mit den unmittelbaren Fragen wie Wasche ich mir jetzt die Haare oder erst direkt vor dem Verlassen des Apartments, gehe ich meine Altkleidung spenden oder entsorge ich sie im Müll?
Gedanklich versuche ich bereits umzuswitchen von Aldi auf Hofer, von Coles auf Merkur, von Meer auf Badewanne, wobei gerade letzteres eine quasi unlösbare Aufgabe ist, so wie das richtige perspektivische Zeichnen von Treppen oder das Umrechnen von km/h in mph. Umswitchen von Barfußleben auf Bedsocks, von No-Jacket auf Winterjacke, vom unbeschwerten In-den-Tag-Hineinleben in ein strukturiertes Aufstehenmüssen, von einem Leben in Möglichkeiten zu einem Leben in Verpflichtungen. Überhaupt: Das Müssen. Könnten wir das abschaffen? Wäre das Leben im Alltag dann leichter? Auch das so eine Frage, die sich nie beantworten wird lassen. Was wäre wenn, was wäre gewesen wenn? Bevor ich zu philosophisch werde, packe ich lieber den Tag am nassen Schopf. Irgendwohin wird er mich schon führen.
Und zwar in die Irre. Obwohl die Wolkenformationen bedrohlich herumhängen, tun sie genau das: herumhängen, sonst nichts. Und so werfe ich meine Pläne für den Besuch des Aquariums über den Haufen und mich an den Strand. Zuerst noch ein kleiner Morgenspaziergang über dem Shelly Beach, wo ich voriges Jahr gewohnt habe, die Marine Parade zurück zum Hauptstrand. Ein letztes Falafel Baguette bei Agadir, ALtkleidung spenden bei Vinnie’s gegenüber vom Apartmenthaus und dann: Blog posten, Laptop herunter- und in den Handgepäckrucksack fahren, gemeinsam mit all dem anderen Kram, der wenig aussieht, aber sich noch um die letzten Plätchzen in diversen Gepäckstücken wird streiten müssen. In diesem Sinne schon jetzt: over and out. Life is good.
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