sydnEySCAPE 2016: Sometimes you just gotta take the bike to the beach

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15/02/2016 – Sometimes you just gotta take the bike to the beach

Nach dem nächtlichen Gewitter mit integriertem Stromausfall erlöst mich eine angenehm kühle Nacht von meinem Jetlag. Nicht einmal die nervigen und zeitaufwändigen Laptop-Probleme können mich von einem ganz wunderbaren Schlaf abhalten. Der heutige Morgen dann sehr grau – so soll es heute auch bleiben. Und das stellt sich als gut heraus. Denn anstatt das – wie naiv von mir – geplante Tagesprogramm zu absolvieren, sitze ich in der Früh also auf der Terrasse und darf mir eine der luxuriösesten Fragen aller Zeiten stellen: Worauf habe ich heute Lust? Oder vielmehr: Worauf habe ich nach dem Frühstück Lust? (Was kümmert mich jetzt schon der Nachmittag oder gar der morgige Tag?)

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Und so füge ich mich dem nicht ganz so sonnigen Wetter und beschließe, zuerst meine Berge Papier und Prospekte nach Wichtigkeit in vier Stapel zu sortieren (Kommt bestimmt ins schöne Tagebuch, Kommt ausschnittweise hinein, Kann eventuell als Hintergrund fungieren, Ist schön, aber weiß noch nicht, ob zu gebrauchen) und dann ein bisschen an der Comfort Zone zu rütteln. Zunächst bedeutet das, unter Beweis zu stellen, dass ich mir sowohl einen mehrstelligen Zifferncode für das Öffnen des Garagentors als auch einen ebenfalls mehrstelligen Code für das Fahrradschloss gemerkt habe. (Tatsächlich habe ich gestern, nach mehr als 50 Jahren, die Eselsbrücke aller Brücken für Zahlenverweigerer wie mich entdeckt, die es mir nun gestattet, mir parallel bis zu drei (womöglich auch noch mehr) mehrstellige Zahlen zu merken: Jede Zahlenkombination wird ab nun mit dem Geburtsdatum eines lieben Menschen kombiniert, denn meistens konnte ich mir die Ziffern einigermaßen merken, nicht aber deren richtige Reihenfolge, was im Notfall das Ausprobieren von gefühlten 54.786 Kombinationen bedeutet hätte. Für das Fahrradschloss wird daher sofort der Geburtstag meiner Mom herangezogen und dann werden einfach 10 dazugezählt.) Doch damit nicht genug der Erfolgserlebnisse: Es gelingt mir nämlich auch, Tor und Schloss wirklich zu öffnen. Im Vorjahr etwa hatte ich die Zahlen zwar richtig, aber die Dinge verweigerten mir trotzdem ihren Dienst. Doch zu früh gefreut: Bei offenem Garagentor und aufgeschlossenem Fahrrad will ich gerade wagemutig aufsteigen, als ich merke, dass sich der Ständer nicht einklappen lässt – der allerdings nicht mit einer weiteren Zahlenkombi gesichert ist. Erster Gedanke der verwöhnten Göre: Max anchatten. Verworfen, weil zu demütigend. Zweiter Gedanke: zu Fuß gehen. Verworfen, weil nach zwei intensiven Gehtagen dringend eine Gehpause notwendig ist. Dritter, wenn auch etwas abwegiger Gedanke: selber lösen (womöglich sogar durch Nachdenken und nicht durch Googeln, vor allem weil ich wirklich nicht wüsste, welche Suchbegriffe man dafür eingeben müsste). So untersuche ich also wie eine Spezialistin von CSI Sydney alle anderen Fahrräder in der Garage und finde doch tatsächlich die Lösung, die auch auf mein Rad umlegbar ist. Los gehts!

Rauf auf den Beachcruiser, immer links halten, viel bremsen (es geht zunächst nämlich richtig steil bergab) und den Fahrtwind um die Ohren sausen lassen und mich fragen, ob ich alleine dafür die letzten Monate wirklich 3 Mal wöchentlich eine Stunde am Ergometer hätte zubringen müssen (diese Frage erübrigt sich nach der ersten Steigung dahingehend, dass ich mindestens 5 Mal pro Woche je 3 Stunden hätte trainieren sollen). Am Strand entlang, das Silver Lining am Horizont bewundern, die Promenade entlang, spontan fahren, wo es mich gerade hinzieht (da ein Fotomotiv, dort ein Schaufenster) und vor allem dort, wo möglichst keine Rechtsabbiegemanöver nötig sind. (Das ist hier nur etwas für Fortgeschrittene). Bei der Fähre wird das Rad geparkt und ich begebe mich auf einen kleinen Teil des Küstenwanderwegs von Manly nach Spit, wo drei Geocaches innerhalb geringer Entfernungen auf mich warten – das glaube ich jedenfalls. Dieses Stück ist auch ohne Aufgabe wunderschön, vor allem, weil die Sonne langsam durch die Wolken lugt und sich eine hübsche Bucht an die nächste reiht. Die ersten beiden Caches finde ich trotz intensiver Suche leider nicht, erst bei Nummer 3 werde ich fündig und logge somit unseren insgesamt 600. Cache. Dann fotografiere ich noch am Rockpool beim Kay-ye-mai Point (oder so ähnlich) herum, der unbeschwommen in der Morgensonne liegt.

Jetzt dürfen die Beine wieder treten: Am spontanen Weg nach Freshwater, den ich meine, noch vom Vorjahr zu kennen, verfahre ich mich zwar, aber was solls? Fahre ich eben erstmals den Manly Dam entlang, entdecke unterwegs ein paar wie immer traumhaft blühende Frangipani-Bäume, gurke dann zurück nach Manly, wo ich einen der berühmten Burger von BenBry am Strand verzehre, ehe ich mich auf den steilen Rückweg mache. Hier bekommt die „an und pfirsich“ sinnlose Redewendung „radfahren gehen“ plötzlich Sinn, denn teils bewegen wir, also der Beachcruiser und ich, uns fahrend fort, dann wieder gehend. Diese Stadt ist steil – in jeder Hinsicht, und mein Apartment hat es ziemlich hoch hinaus geschafft, auch für Sydney-Standards.

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Worauf ich jetzt Lust habe? Vielleicht noch ein bisschen mehr an der Comfort Zone rütteln… Ich packe mein Strandtäschchen zusammen (okay, kleine Untertreibung), insbesondere aber erstmals auch Flossen und Taucherbrille und natürlich die Unterwasserkamera. Ein Plätzchen im Halbschatten eines Eukalyptusbaums ist frei, her damit! Und hinein mit mir ins Wasser. Mit aller Überwindung versenke ich die Kamera erstmals zur Gänze im Meer, schieße ein paar Fotos von Fischen, Menschen (mir mit Ausstattung aus meiner rosa Phase, ca. anno 1994) und dem Strand. So genau erkenne ich durch die angelaufene Taucherbrille und das offensichtlich nicht so tolle Kameradisplay ja nicht, was ich da aufnehme, habe aber Riesenspaß dabei. In Folge kann ich auch meine neue Riesenflasche mit dem Handlettering-Aufdruck „Good Vibes Only“ einweihen, denn sie ist so groß, dass ich daraus trinken und damit auch meine meersalzige Kamera abwaschen kann – und dann immer noch trinken kann, was bei dieser Hitze von etwa 30 Grad auch dringend nötig ist. Dann liege ich höchst zufrieden mit dem Tagewerk im Halbschatten, lese, fotografiere ein paar Selbstportraits ohne Dame und andere Szenen und – sonst eigentlich nichts. Und plötzlich ist es wieder da, dieses herrliche Gefühl von Zeit und Unbeschwertheit.

Ansonsten stelle ich erneut fest, dass man selbst bei bedecktem Himmel zuviel Sonne abbekommen kann, konkret auf den Armen, die nun nur mehr Ellbogenkehlen in zartem Weiß aufweisen, während die umliegenden Regionen eher dem Farbton des Rückens der gefürchteten red-back spider zuzuordnen sind. Der frühe und spätere Abend klingen gemütlich auf der Terrasse aus, ein bisschen lesen, schmökern, Notizen machen, essen, trinken, Spinnen, Kakadus und Papageien fotografieren (nicht alle mit derselben Begeisterung), die Uhr der Mikrowelle einstellen (eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit, wie ich nun weiß), die aus Wien mitgebrachten Miniwasserfarben einweihen, die Klimaanlage erfolglos laufen lassen, mich von Moskitos in die Flucht schlagen lassen und mich ins sehr heiße Apartment retten, um nur einige der abendlichen Tätigkeiten zu nennen.

Meinen Zustand zusammenzufassen, ist schwer, aber ich versuche es mal so: Müsste ich heute schon heimfahren, wäre ich schon total zufrieden. Es fühlt sich an, wie sich ein Junkie fühlen muss, wenn er nach Monaten des Entzugs wieder die Droge seiner Wahl bekommt. Nur diesen einen Augenblick, und vielleicht einen zweiten und dritten in diesem Delirium – das belebt die Sinne und macht, leider schon jetzt, Lust auf mehr. Womit wir wieder bei Wolfgang Ambros sind: Und i wü more, more,  more!

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