29/02/2016 – Ein Nanissimo-Marathon für das Stay-at-home Girl
Der Tag macht, nicht zuletzt durch das Gekreische von Kakadus, früh auf sich aufmerksam. Gut so, ich wollte gerne nochmal die Morgendämmerung und den Sonnenaufgang in Angriff nehmen – im Rockpool. Denn nach den unglaublichen Eindrücken der letzten beiden Tage ist mir einfach danach, zuhause zu bleiben und einen Ruhetag einzulegen (oder das, was hier angesichts der vielen Verlockungen und Entdeckungen eben als Ruhetag durchgehen kann). Wobei auch Ruhetag und Zuhausebleiben wahrlich dehnbare Begriffe sind. Während es im Winter in Wien bedeuten kann, das Sofa nicht zu verlassen bzw. im Sommer in Wien, nie mehr als 2,5 km von der Alten Donau entfernt zu sein, bedeutet es hier für mich, die Northern Beaches nicht aus den Augen zu verlieren. Das hat sich dieses Jahr irgendwie zu meinem Motto entwickelt: Warum die Eastern Suburbs oder die City erobern, wenn ich in den Northern Beaches wohne, die ich ja zum weitaus schönsten Teil Sydneys auserkoren habe?
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Und so beginnt am Rockpool auch gleich das, was sich heute noch vor 14 Uhr zu einem Marathon nach Andrea F., auch Nano- oder genauer gesagt Nanissimo-Marathon auswächst. Mit dem Rad rolle ich hinunter zum Rockpool, wo ich eine kleine Runde Wassertreten mit Kamera in Angriff nehme. Darauf folgt eine kleine Radrunde die Promenade entlang (ob ein Muffin als ideale Marathon-Nahrung zählt, ist unklar, aber unbedingt einen Versuch wert) und schließlich zu Aldi (auch hier ist unklar, ob das Bunkern von sagenhaft frischen Avocados, Tomaten und Zuckermelonenhälften als Teil des Marathons anzuerkennen sind). Das Hinaufradeln besagter Einkäufe ist jedenfalls zweifellos Sport (wie würde mein Lieblingskabarettist Gery Seidl den Zustand seiner Waden und Oberschenkel beschreiben? „Was heißt Milchsäure, ich habe Joghurt in den Beinen, einen ganzen Becher!“).
Darauf folgt umgehend der dritte Teil meines Freestyle-Marathons: nachdem ich mit dem Rad zum Bus gefahren bin (vielleicht kann man geduldiges Buswarten & Busfahren beim Marathon als vierte Sportart aufnehmen) und es mit dem Bus nach Dee Why geschafft habe, beginnt die eigentliche Mini-Marathon-Aufgabe – ein eigentlich kleiner Hike von Dee Why über Curl Curl nach Freshwater. Dass die beiden Strandüberquerungen angesichts der Länge der Strände und der Tiefe der Sände zwei weitere Hiking-Etappen darstellen, hat mir nämlich vorher niemand verraten!) Dass die Streckenführung entlang der Küste erfolgt, versteht sich fast von selbst. Dass der erste Teil ein wenig „rough“ und „rugged“ ist, nicht unbedingt. Ein enges Wegerl (eigentlich eher ein „track“, denn Wegerl ist zuviel gesagt) schlängelt sich durchs Dickicht, ohne Markierungen, aber mit sagenhaften Ausblicken. In Curl Curl, wo ich noch nie war, stelle ich fest, dass es hier eine sehr fotogene Lagune neben dem Meer und ein paar dünenartigen Sandanhäufungen gibt – und ein drohendes Gewitter. Ich stelle mich taub und blind und gehe auch den zweiten Teil des Weges; dieser ist weitaus angenehmer und verläuft meist über einen Boardwalk. In Frehswater angekommen, droht zwar weiterhin ein Gewitter (das sich dann aber wieder unverrichteter Dinge verzieht), aber das lässt mich kalt: Jetzt müssen erst mal Smoked Salmon Fish Cakes auf einem köstlichen Rucola-Grapefruit-Tomaten-Apfelsalat im Calm Cafe als wunderbare Sportlernahrung herhalten. Noch einmal eine kurze Busetappe, eine längere Radetappe und ein kleiner Zusammenbruch im Apartment. Bereits um 14 Uhr hat der Tag so viel geboten, dass ich wieder einmal kaum weiß, wohin mit all den Eindrücken. Wohin mit dem schweren Gebein weiß ich jedoch: hoch! Am Daybed ist es um diese Zeit leider sehr heiß und wegen einer Baustelle recht laut, aber was solls?
Um 16 Uhr kommt dann – endlich – der Regen, bei ziemlichem Sonnenschein. Es war schon seit Mittag stechend und drückend heiß und jetzt hoffe ich auf ein bisschen Abkühlung, stehe im Bikini im Regen in der Sonne (!) auf der Terrasse und hoffe, dass mein Daybed nicht zu nass wird und schon bald wieder von mir besetzt und belegen werden kann. 10 Minuten später ist die kleine Dusche (aka „shower“) schon wieder vorbei. Eine neue Variante der Umsetzung des angesagten Niederschlags von 0,1mm bei 40% chance of rain. Sydney, was du alles kannst! Oder war das nur ein Vorbote, denn es sticht nach wie vor unglaublich, und schwül ist es, dass man ein neues Wort dafür erfinden müsste.
Zu den banaleren Fragen des Tages zählen:
– Warum sperrt Aldi um 8 Uhr auf, darf aber wochentags erst ab 8:30 Uhr und sonntags erst ab 10 Uhr Alkohol verkaufen?
– Wie funktioniert der Australian Open Surf Cup? Ich sehe niemanden surfen, aber dauernd wird kommentiert, reportiert und aufs Meer gestarrt wie alle Österreicher bei der Olympiaabfahrt der Herren auf den Fernseher…
– Wieso macht dieses „staying at home“ so unsagbar schwere Beine UND Arme?
– Welchen Teil von „Ruhe-Tag“ habe ich nicht verstanden?
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