Die heutige Vorfreude beginnt mit einer Rückblende, die mit Ausnahme der unmenschlichen Temperaturen ziemlich genau beschreibt, worauf ich mich gerade heute (24. Dezember, ich krank und mindestens ebenso grummelig) am allermeisten freue:
Samstag, 12. Jänner 2013: Heute muss ich sehr zu meinem Erstaunen gewisse Ähnlichkeiten von Sydney mit Wien feststellen, zumindest in der Genauigkeit der Wetterprognose betrifft. Vorhergesagt ist heute der heißeste Tag seit Langem mit 39 Grad Höchsttemperatur und ganztägiger Sonne. Wir sind unvernünftig und lassen uns von den Hitzewarnungen nicht abschrecken, denn wir wollen heute einen Walk wandern, den wir schon vor 4 Jahren für ganz wunderbar befunden hatten. Die Anfahrt dauert relativ lange, denn wir müssen mit dem Bus in die City, dann mit der Traumfähre nach Manly, dann wollen wir die mitgeschleppten acht ausgelesenen Bücher bei Andy’s Book Exchange tauschen. Doch Andy hat noch nicht geöffnet, weshalb wir – Schicksal, oh Schicksal – in „The Pantry“ direkt am Strand von Manly auf ein kleines Frühstück einkehren. Und „The Pantry“ haut mich um, erobert mein Herz, erinnert mich daran, was Liebe auf den ersten Blick alles kann: ein wunderbarer Ausblick aufs noch sehr diesige Meer, eine dezente Beach Cottage-artige Inneneinrichtung mit unzähligen liebevollen Details, kurz gesagt: ein Platz zum Wohlfühlen, noch kürzer gesagt: der wahr gewordene Traum von einem Beach Cottage, sowohl was Einrichtung (okay, bunte Kissen und ein paar bunte Bilder an den Wänden täte das Ganze noch vertragen) als auch was die Lage angeht (und wohin ich meine 400 Kochbücher schlichten würde, wüsste ich hier natürlich auch nicht). Ja genau so sollte mein Traumhäuschen liegen, an einem beschwimmbaren Sandstrand mit Blick auf Meer, Norfolk Pines und Möwen! Seufz, mich hat es richtig erwischt, nur vom Lottosechser ist weiterhin keine Spur, und die Einwanderungesetze müsste ich wohl auch erst abändern lassen. Wir begnügen uns fürs Erste damit, bei Andy in bewährter Manier unsere acht gegen vier andere Bücher einzutauschen, und da ich in einem Fahrradgeschäft eine Klingel mit Australienflaggenmotiv entdecke, sind wir beim Aufbruch zur Wanderung gegen 11 Uhr nicht nur die verrücktesten, weil hitzeignorantesten, sondern auch verrücktesten, weil vier Bücher und eine Fahrradklingel zum Wandern mitschleppenden Touristen.
Wobei das mit der Hitze ja ganz anders kommt als angesagt: Auf den Wanderwegen stehen zwar überall Warnungen wie „Walkways closed due to extreme weather conditions“, doch wir ignorieren diese Warnungen, denn bis zum frühen Nachmittag ist es stark bewölkt und hat maximal 25 Grad. Erst als wir kurz vor Clontarf an einem entzückenden kleinen Strand – ich nenne ihn „Nameless Beach“ – eine Pause einlegen, kommt die Sonne heraus. Wir trinken unser letztes Wasser, ich werfe eine Portion starke Knienahrung ein und kühle meine Knie und alles, was bis zu den Haupthaaren dazu gehört, im kristallklaren Wasser. Dabei klopfe ich mir ausgiebig auf die Schultern, was aber keine neue Therapieübung ist, sondern meine Anerkennung für mich selbst zum Ausdruck bringt: Schließlich habe ich in der Früh daran gedacht, neben den acht Tauschbüchern auch Bikini und einen Sarong einzupacken, weshalb ich mir jetzt nicht in Ermangelung adäquater Badebekleidung Feinde machen muss. Ein bisschen gschamig ist man in Australien nämlich auch, obwohl ich seit meinen Pool-Besuchen weiß, dass man hier anders als in den USA auch nackt unter die Dusche der Damenkabine darf und nicht den Badeanzug anbehalten muss (auch wenn manche Frauen das so handhaben).
Unterwegs entdecken wir eine Fülle wahrer Prachthäuser und Traumhäuschen. Eine spontane Entscheidung und etwas Kleingeld wäre nicht schlecht, daran erinnert uns das Schild „Thank you, Mr Hooker!“, der eines dieser Traumhäuser verkauft hat. Ich sage stattdessen „Danke, Mr Seractil“, denn ohne die geniale Erfindung dieser Schmerztabletten würde ich auch jetzt noch am „Nameless Beach“ herumlungern, die wunderbaren Felsformationen bewundern und mich fragen, wie viele Treppen denn noch bis zum Endziel „The Spit Bridge“ folgen könnten. Dank Pazifikwellentherapie, Strandpause und Dr. Seractil schaffe ich die zahlreichen Auf- und Abstiege aber doch. Gegen Ende der Route kommen wir an den weitläufigen Clontarf Beach mit zugehörigem Park, wo unzählige Großfamilien im großen Stil mit Klappstühlen und riesigen Kühlboxen das Wochenendfeeling nach australischer Art vorleben. Mit Fisherman’s Basket & Chips vom örtlichen Imbisslokal „Clonnies on the Beach“ machen wir es ihnen aber im kleinen Stil nach. Nach insgesamt 4 Stunden Wanderzeit, vielen Buchten, blue-tongue lizards (fast so schön wie die Eastern Sea Dragons), Traumhäusern und Eukalyptuswäldchen kommen wir bei der Busstation bei The Spit an. Dann „nur noch“ 1,5 Stunden Busfahren und schon sind wir zuhause. Und ja, das ist einer der Wermutstropfen in Sydney: Die Stadt ist sehr weitläufig, die Busverbindungen sind zwar nicht schlecht, aber sehr unregelmäßig und es sind eben doch nur Busse, die sich die Straßen mit den unzähligen anderen Bussen und unzähligen Autos teilen müssen. So kommt es, dass ich immer, wenn ich bei schönem Wetter wieder mal auf einen Bus warte, ein klein bisschen Vorfreude auf die Heimat verspüre. Keine Angst, es ist kein Heimweh, sondern vielmehr die Sehnsucht nach meinem Motorrad, denn die Piaggio Fly ist hier auch sehr beliebt und sicher weitaus schneller als die Busse. Mein Modell zuhause wird mir allerdings sehr schlicht vorkommen, so ganz ohne Halterungen für das daran angebrachte Surfboard…
|