Auch nach der Ankunft in Perth und der Taxifahrt zum Flughafen steht bis auf Widerruf fest: ich werde Österreichurlauberin, jawohl! Ich habe genug von Pleiten, Pech und Pannen, Fliegen und Flughäfen, Sicherheitschecks und Sicherheitsnadeln, von Notlösungen und Notrufen. Vielleicht werde ich statt Sonnenauf- und -untergangsspezialistin Expertin für alpine Nebelschwaden, entsprechende Fotos lassen sich zumindest über dem Suppentopf relativ unaufwändig simulieren
On the road zieht es mIch derzeit gar nicht, auch wenn genau das noch einmal für knappe zwei Wochen auf dem Programm, mir aber der Sinn nicht danach steht. Ich habe keine Lust mehr auf Herumräumen und Herumkramen, Bunkern, Campingplatzsuchen, Gemeinschaftsduschen, Gemeinschaftsgrillplätze und Gemeinschaftsküchen, Essen in Kisten zu Küchen tragen, Pilatesbodenübungen, um im Kühlschrank auch die Erdnussbutter zu finden, Bunkern nach Maßgabe der Möglichkeiten anstatt der Gelüste, Hoffen auf Internet-Empfang und gut sortierte Supermärkte, auf Koalas statt Emus, auf Delfine statt Fliegen, auf Duschen mit mehr als einem Haken für Gewand, verstehe aber auch nicht, wieso eine dumme Autopanne dieses intensive und hartnäckige Keinelustmehr-Feeling heraufbeschwören konnte. Es ist gerade mal drei Tage her, da hat mir all das noch Spaß oder zumeist nichts ausgemacht oder zumindest habe ich mir das selbst sehr glaubwürdig vorgemacht. Zumindest war ich damals, es fühlt sich an wie in einem anderen Leben, von diesem Konzept noch wahrhaftig überzeugt.
Worauf ich jetzt Lust hätte, ist, halbdekadent in einem netten Apartment in einer netten Stadt wie Perth zu leben, mich ausbreiten und entfalten zu können und wieder mehr zu sein als die Summe notdürftig verstauter Plastiktüten, die beim Suchen der gewünschten Teile kindlich-geniale Memory-Fähigkeiten erfordern. Ich will beim Beschreiben der Auffindungsorte von elementaren Dingen wie Taschenmesser, Taschenlampe, Adapter 3 und ausziehbaren Ladekabeln kein enzyklopädisches Gedächtnis für zwei Personen mehr benötigen und auch keine Insider-Fachsprache mehr verwenden müssen wie "L4, das ausgebleichte rote SPAR-Sackerl oder warte, nein doch R1 beim Waschmittel, ganz hinten, vermutlich dort, wo sich gestern beim Fahren die Kakaodose entleert hat". Ich will beim Fahren permanent aufflappende Kühlschranktüren nicht vor jeder Fahrt mit Matratzen arretieren und wankelmütig tropfende Wasserhähne einwickeln müssen wie Freiluftpalmen in einem sehr harten Winter. Ich will wieder daran glauben, dass jeder seine Sachen selbst findet und sucht, ohne deswegen 7 Tage hintereinander kein einziges Kleidungsstück zu wechseln. Ich will nicht permanent aus Platzmangel Lebensqualitätsentscheidungen treffen müssen wie Essen ODER Lesen, Blogschreiben ODER Prospektesortieren, Wachen ODER Schlafen.
Meine fachfrauliche Analyse? Ich glaube ganz einfach, dass ich fürs Erste genug von Überraschungen mit permanenten Kriseninterventionen habe, dass ich erstmals im Leben gerne hätte, dass selbiges einfach dahinplätschert, ohne Höhen und ohne Tiefen, dafür aber mit allzeit bereiter Badewanne, ebensolchem Backrohr und ebensolchem Fahrrad und zumindest einer Zweitweste zur glatten Verdoppelung der aktuellen Überbekleidungsmöglichkeiten – ja, Plätschern, das wäre mal was Neues für mich, aber womöglich alleine deshalb schon wieder eine Gefahr?!?
Jetzt aber Broome, die Stadt, die wir ursprünglich ansteuern wollten, ehe uns Zyklon Rusty zu einem Umweg über den Südwesten zwang. Die Stadt, die wir mit dem Auto vielleicht gar nicht mehr angesteuert hätten, weil sie so weit ab vom Schuss liegt, aber sehr viel liegt in Westaustralien ja auch nicht gerade am Schuss. Broome, ja auch Broome hält bestimmt eine Überraschung bereit. Eine, die ich mir beim besten Willen und bei aller Fantasie nicht ausmalen kann, auch wenn ich übernachtig irgendwann endlich im Flugzeug sitzend Dutzende Möglichkeiten ersinne, aber es ist ja das Wesen von Überraschungen, dass man sie nicht einmal ansatzweise erahnen kann.
Die Überraschung des Tages für uns ist heute das Gefährt, das man uns als Schlafstätte bis Montag am Flughafen geparkt hat. Es ist nämlich ein Allrad-Hitop mit Popup-Dach, in dem es mit einem Minimum an Kopffreiheit nach oben und einem ebensolchen Mindestmaß an Sauerstoff zu schlafen gilt. Dass das Fahrzeug riecht, als ob es etwa Baujahr 1928 wäre und seine Lebensjahre vorwiegend in feucht-modrigem Erdboden verbracht hätte, ist da nur ein kleines Detail am Rand. Zugegeben, wir hatten schon vor dem Erblicken dieser Innenausstattung mit dem Gedanken gespielt, uns zwei Nächte in Broome mit einer Cabin auf einem Campingplatz für die Strapazen zu entschädigen und uns so das ganze Ein- und baldige Wiederausräumen zu ersparen. Jetzt steht diese Entscheidung fest. Doch auch wenn die Saison hier noch nicht begonnen hat, sind die Cabins rar UND teuer UND die erste, die wir uns vorsichtshalber glücklicherweise ansehen, nur unwesentlich jünger als das aktuelle Auto und auch olfaktorisch nur geringfügig besser.
Wir bekommen aber den Tipp für ein edles Backpacker-Motel, von dem ich bereits gelesen hatte. Und das ist echt schön, ein stylishes Zimmer mit eigenem Bad und WC in einer mit Boab Trees, noch blühenden Frangipani und Palmen bewachsenen Anlage, adretten Gemeinschaftseinrichtungen und coolem Pool und sogar einem kleinen Kühlschrank im Zimmer zu einem erstaunlich günstigen Preis. Beaches of Broome wird unser neues Zuhause. Das ist gut so, denn die Stadt ist am Samstag Nachmittag quasi ausgestorben und auch am berühmten endlos langen Strand ist nichts los. Es spricht aber nichts gegen ein paar Stündchen am Pool, und wie wir den morgigen toten Sonntag herumbringen, wird uns auch noch einfallen. Fürs Erste sind wir ohnehin damit beschäftigt, uns an die angeblich nur 32 Grad zu gewöhnen, die sich anfühlen wie 40, sehr heiß und sehr schwül.
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