99 wüste Gedanken und eine Bruchlandung einer misslungenen Apollomission

Man kennt das ja: if it's Tuesday, this must be Belgium. Für Gruppenreisen mag das gelten. Wenn man jedoch individuell unterwegs ist, kann dienstags alles sein – außer dem, was man möglicherweise geplant hatte. Wir sind der lebende Beweis dafür. Donnerstags um 12 Uhr hatte ich noch eine Einkaufsliste für den Bunkerstopp in Carnarvon geschrieben. Wir hatten uns auf eine nette kleine Mittagspause gefreut, bevor wir die zweite Tagesetappe von 300 km in Angriff nehmen wollten.

Unsere westaustralischen Reisegesichter waren in Monkey Mia beim Dolphin  Watching und Sunset Cruisen gerade zu einer neuen Höchstform in puncto Entspanntheit und Bräunungsgrad aufgelaufen und die Vorfreude auf eine Fortsetzung dieser Entspannungstherapie nach A&M war groß. Coral Bay, Turquoise Bay und Ningaloo Reef waren die vielversprechenden Namen, die uns zu dieser enormen Tagesetappe durch Mehroderwenigerniemandsland von 65o km bewogen.

Und dann, das. Ich hatte noch die während der Fahrt hingekritzelte Einkaufsliste in der Hand, als unser Wagen am ersten Kreisverkehr zur Ortseinfahrt einem seltenen und nicht diagnostizierbaren Leiden erlag und wir plötzlich in Carnarvon festsaßen. C. können wir dabei noch nicht einmal einen Vorwurf machen, wenn man mal davon absieht, dass diese Stadt nicht gerade als Primadonna unter den Städten geboren wurde.

Ganz im Gegenteil: Alle Leute hier waren supernett. Der RAC-Mann nahm uns bei knapp 40 Grad Außentemperatur in seinem Wagen ins klimatisierte RAC-Büro mit, führte uns später zum Campingplatz und versorgte uns reichlich mit tröstenden, wenn auch nicht aufbauenden Worten in schwerem Dialekt. Am Campingplatz gab man uns einen ermäßigten Tarif und ließ uns am nächsten Tag sogar bis 12 Uhr die Cabin nutzen, auch wenn wir mir frühmorgens dann doch nicht der Sinn danach stand, das abendliche Schaumbadvergnügen in dieser Luxushütte zu wiederholen. Danach durften wir bis zur Abfahrt des Busses um 19 Uhr immerhin kostenlos den Pool, die Duschen und Toiletten sowie die Camp Kitchen nutzen.

Vom RAC, dem wir alle unsere Vorräte spendeten, führte man uns sogar mit unserem gesamte Zeugs – zusammengepackt in einem Wagen, bei dem sich nur mehr die Vordertüren öffnen ließen und der dementsprechend eine Innentemperatur von gefühlten 55 Grad aufwies – wieder zum Campingplatz zurück. Insgesamt verdammt viele Nettigkeiten. Nur dieses winzige Detail der Örtlichkeit stimmte nicht ganz, denn C. ist eben nicht Coral Bay. Aber ich will fair ein: auf diese Art kommen wir wenigstens doch bis Broome, und ein Interimsfahrzeug erhalten wir wogar schon am Samstag, denn sonst hätte uns Apollo womöglich weitere zwei Cabin-Übernachtungen zahlen müssen.

Einfallsreich waren sie dabei auch noch, denn da Apollo samstags nur bis 12 Uhr geöffnet hat, wir aber erst um 12:20 Uhr landen und wohl nicht vor 14 Uhr bei Apollo wären, stellt man uns das Interimsfahrzeug, das mehr ein Interimsschlafzeug ist, auf den Flughafen. Den Schlüssel versteckt man uns ganz gewitzt. So viel Kreativität hätte ich von Apollo gar nicht erwartet, obwohl dies natürlich bedeutet, dass wir am Montag zum Fahrzeugtausch zu Apollo fahren müssen, was wieder Zeit kostet. Auf meine Frage, ob wir denn nicht einfach die ganze Zeit dieses Fahrzeug behalten könnten, meinte Jarrett am Telefon – wir kamen uns mit jedem Telefonat näher – ebenso lapidar wie abschreckend: "You would not want to do this. This would just be asking for more trouble." Da lassen wir dann doch lieber die Finger davon.

Trotzdem kommt immer wieder der Gedanke, wie viel Glück wir auch am Tag nach dem unrühmlichen Abgang unseres Fahrzeugs XWR964 (eine der wenigen Zahlenkombinationen, die ich nie wieder vergessen werde) hatten! Es ist nämlich so, dass derzeit kein Bus mehr nach Broome geführt wird (Unglück), denn Greyhound fährt diese Strecke gar nicht mehr und Integrity Bus wurde bis zur westaustralischen Wahl am kommenden Wochenende eingestellt. Je nachdem, wie die Wahl ausgeht, wird die Buslizenz verlängert oder nicht, das erklärte man uns etwas resigniert in der Tourist Information. Blieb also nur der Weg zurück in den Süden nach Perth und auch hier hatten wir Glück, denn der Bus geht nur freitags und montags. Gerade noch rechtzeitig kam das OK von Apollo, weshalb wir es schafften, die letzten beiden Plätze auf diesem knallvollen Rumpelnachtbus zu ergattern. Warum sich so viel Glück nicht mehr wie Glück anfühlt, will einfach nicht in meinen  Kopf.

Anstatt jetzt also in Coral Bay dem Rauschen der Brandung und dem Trappeln der Môwen auf dem Autodach zuzuhören, höre ich Busrumpeln und den schlechten Ton eines schlechten Science Fiction-Films voller grimmiger Männer, habe kalte Knie vor lauter kalter Zugluft anstatt abendsonnengewärmte Wangen, höre fremden Männern mit schlechtem Atem und großen Gaumenzäpfchen beim kollektiven Beschnarchen des Busses zu und bewege mich in die falsche Richtung, nämlich gen Süden, rieche anstatt salzigem Meer und frischen Barbecue die Zigarettenalkoholausdünstungen der anderen Busgäste und habe das dringende Bedürfnis, mich sofort in mein Wiener Bettchen zu beamen, mir meinen Goldenen Seidenpyjama anzuziehen, der nur zu besonderen Anlässen hervorgeholt wird (zuletzt anlässlich der Rückkehr von der Auszeit), mir für eine ganze Woche einen Fernseher ans Bett, in dem es sieben Tage nichts Anderes spielt als Henning Baum als letzten Bullen, und ein Hündchen wie Little Max ins Bettchen zu holen und ohne zuzunehmen sieben Tage lang nichts Anderes zu essen als Muttchens Schweinsbraten mit Waldviertler Knödeln und, naja, wenn ich schon ohne zuzunehmen dabei bin, vielleicht auch die eine oder andere Schwedenbombe vor dem Konkurs zu retten oder, noch besser, in den kurzen Aufstehpausen eine australisch-neuseeländische Backtherapie nach Andrea F. in einem noch nie da gewesenen Ausmaß hinzulegen.

Ich würde meine nächsten 37 Österreichurlaube planen, meine Liste der unbedingt demnächst zu bereisenden Regionen von Alaska bis Zimbabwe auf Arnoldstein bis Zwentendorf und von Panamericana auf Wiener Südosttangente ändern, meinen Reisepass feierlich verbrennen (naja, vielleicht nur vergraben) und Österreich so lange bereisen, bis ich die 111 Grunde, Österreich zu lieben, im Schlaf aufsagen kann. Irgendwann würde ich aufwachen, so Max' kühn anmutende Theorie, und ich würde mich wieder daran erinnern, was im Ausland ich unbedingt noch sehen möchte, aber heute halte ich seine Theorie noch für denkbar gewagt. Heute bin ich eine andere, vielleicht eine neue, und die Neue ist mit dem Reisen ins Ausland fertig. Wenn ich mir doch einmal ein Wohnmobil kaufen sollte, dann nur, weil ich so gerne einrichte und dekoriere und gerne einmal mit einem wirklich hübsch eingerichteten Zuhause bis an den Neusiedlersee, vielleicht aber auch nur bis zur Alten Donau fahren möchte. Diese 4 km sollte sogar ich am Steuer ohne größere Angstattacken schaffen.


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