Es ist ja nicht grundsätzlich so, dass ich zum Angsthaben neige. Das behaupte ich zumindest, auch wenn andere eventuell anderer Meinung sein könnten. Es gibt aber Situationen, in denen ich zugebe, Angst zu haben – und zwar mit Fug und einem leider erworbenen Recht. Dazu zählen etwa interkulturell fragwürdige Begegnungen mit Indern in einem für beide Parteien als Ausland zu bezeichnenden Umfeld. Diese Angst erklärt sich unter anderem dadurch, dass mich ein Inder in New York einmal vehement von der Polizei verhaften lassen wollte, weil er meinen Pass für eine Fälschung hielt – eine schlechte Fälschung, wie ich hoffe.
Eine weitere durchaus begründbare und begründete Angst ist jene vor Emus. Dies wiederum liegt daran, dass ich in der Vergangenheit bereits mehrfach hinterrücks von Emus verfolgt und belästigt wurde, bis der gierige Kerl mich in die Flucht des Autos schlug, es aber schaffte, seinen gummiartigen Hals durch einen 10 cm breiten Fensterschlitz zu schieben und mir die Weintrauben aus der Hand zu pecken, ohne sich von einem meiner legendären Schreckensschreie auch nur irgendwie beeindrucken zu lassen.
All dies hielt mich nicht davon ab, heute Morgen zu Max zu sagen: Glaubst du, dass wir heute endlich einen Emu sehen? Zunächst scheint es nicht gut um meinen Wunsch bestellt. Zeitig brechen wir auf (ohne die roos auf dem Campingplatz zu sehen, die aber Unmengen an Verdauungsspuren hinterlassen haben), denn zu gerne möchten wir auch mal "euros" sehen, rötliche roos, die es in der Nähe des Mushroom Rock geben soll. Und wirklich sehen wir in der Ferne ein paar springende und grasende euros. Woher diese ihren Namen haben, wüsste ich zu gerne!
Nächster Stopp: Kalbarri National Park. Die Zufahrt erfolg über 30 km Welblechpiste. Heute können wir, genau genommen der Buschauffeur, mit Erfahrung auftrumpfen, denn die Ruckelstaubpiste nimmt er mit der zielstrebigen Eleganz eines Tanami Desert Road-erfahrenen Rallyefahrers. Beim Loop und beim Z Bend spazierwandern wir zu den Lookout-Punkten. Besonders Nature's Window ist traumhaft, auch weil wir danach ein Frühstück mit Ausblick frisch aus unserer sandpanierten Kiste gönnen.
Es ist noch nicht mal Mittag und wir beschließen, noch heute die nächste Fahrstrecke in Angriff zu nehmen. Bis Monkey Mia sind es400 km, da müsste sich doch mal ein echter Emu ausgehen anstelle der immer wiederkehrenden Emu-Warnschilder. Irgendwann sehen wir auf der endlosen geraden Strecke in weiter Ferne doch tatsächlich etwas, was zunächst aussieht wie eine buschige Kuh, sich dann aber doch als zwei Emus von rechts nach links enttarnen lässt. Für ein Foto reicht es aber leider nicht.
Am Shell Beach legen wir schon aus Sentimentalitätsgründen eine Pause ein. Hier war ich vor 20 Jahren schon mal, und es ist noch immer irre. 120 km lang ist dieser weiße Strandabschnitt, dessen Strand aus nichts als weißen Muscheln, teilweise bis zu 10 m tief, besteht. Einfach gigantisch!
In Monkey Mia steuern wir dann den einzigen, zu einem Ressort gehörenden Campingplatz an und gönnen uns einen Stellplatz mit Strandblick. Beim ersten Besichtigungsgang über den Campingplatz sehe ich von hinten etwas, was aussieht wie eine Dame mit einem sehr dichten Bambusröckchen, ein sehr schmutziger Aufreiblappen auf einem sehr langen Doppelstiel, oder ist es doch ein Liliputaner mit sehr dichten Dreadlocks?
Max würde mir diese Auslegungen eher glauben, als dass ich mitten am Campingplatz einen Emu gesichtet hätte. Doch es ist tatsächlich einer. Gemeinsam mit dem großen Bruder sieht er gerade ganz genau nach, was die Campingplatznachbarn auf ihren Campingtischen an Resten zurückgelassen haben. Süß!!!
Doch als wir bei unserer Snackpause plötzlich selbst von einer dreiköpfigen Emu-Gang gestört werden, ist Schluss mit süß und lustig. Sogar Max, der kein unaufgearbeitetes Emu-Trauma seit Jahrzehnten mit sich herumträgt, erschrickt ziemlich. Wenn auch nur über einen meiner legendären Schreckensschreie, als der Emu mir von hinten über die Schulter schaut. Es zeigt sich, dass der ganze Campingplatz mehr Bewohner mit buschigem Hinterteil aufweist als normale Zweibeiner. Und das ist für jemanden wie mich sehr stressig. Sobald ich nur das leiseste Rascheln höre, reißt es mich, auch wenn nichts als eine unschuldige Möwe dahinter steckt.
Den Rest des Tages beschäftigen wir uns nebst der Emu-Vermeidung und Traumabewältigung mit einer neuen Macke des Autos. Denn es verriegelt sich dauernd selbst, lässt sich nicht mehr öffnen und tut türtechnisch nur mehr, was ihm einfällt, und das deckt sich nur selten mit unseren Absichten. Weder das lautstarke Anwerfen der Alarmanlage noch das gelenkige Einsteigen und nach hinten Klettern über den Fahrersitz zählen zu unseren bevorzugten Freizeitbeschäftigungen. Viel lieber würden wir Dugongs oder Baby Sharks oder Rochen sichten gehen, aber vielleicht wird daraus ja morgen noch etwas…
|