99 Gelsenstiche und eine Schule Delfine

So schnell kann es gehen. Gerade noch habe ich überlegt, wie das heutige Blog heißen könnte. Und dann kommen mir ungefragt gleich scharenweise unsichtbare „mozzies“ zuhilfe, die mir die schwere Entscheidung ab- und mich von oben bis unten in Beschlag nehmen. Wenn mir mein Gewand morgen nicht mehr passt, habe ich zumindest eine leidliche Ausrede: es waren die Gelsen, die meinen Körperumfang innerhalb von Minuten dramatisch erhöht haben. Und wenn ich das Blog nicht schnell veröffentliche, muss ich den mozzie count auf 999 oder gar noch mehr erhöhen.
 
Diese unliebsame Begegnung mit australischem Wildlife ist aber auch schon der einzige beklagenswerte Punkt des heutigen Tages. In der Früh schwimme ich ein wenig im Richmond River, der eigentlich eine salzhaltige Flussmündung in Ballina darstellt. Nach dem Frühstück in der Morgensonne mit Blick auf den Fluss und einen unermüdlich, aber mit der Kamera unerwischbar springenden Fisch (beim Schwimmen höre ich immer sehr laut seine erschreckenden Landegeräusche) fahren wir über Lennox Head (gar keine Surfer heute) nach Byron Bay. In dieser Kleinstadt am Meer lebt meine etwas in die Jahre gekommene Hippie-Seele mit dem dringenden Wunsch nach bunt gebatikten Sackkleidern, mit Blümchen bemalten VW-Campern und Blümchenspangen in den Haaren auf, denn hierher haben sich vor vielen, vielen Jahren Künstler und Aussteiger, Surfer und Alternative zurückgezogen und ihre Spuren in Form einer sehr relaxten Lebensweise hinterlassen. Bei allen Begegnungen mit Einheimischen, ob Rezeptionistin oder Rip Curl-Verkäufer, drängt sich die Frage auf: Was nehmen die hier, dass sie so easy-going, um nicht zu sagen, etwas verrückt oder völlig hinüber sind?
 
In unserem Stammcafe (auch 2008 waren wir hier einmal), dem „Why Not?“, gibt es auch 4,5 Jahre später noch kostenloses Wifi und gute Smoothies. Nach einem weiteren Einkauf bei „Rip Curl“ überlege ich ernsthaft, in Aktien dieser wunderbaren Surfer- und Casual Wear-Marke zu investieren. Der Kurs muss seit meiner Ankunft in Australien drastisch gestiegen sein, aber ohne ärmellose T-Shirts und Shorts outet man sich an der Ostküste bei fast jedem Wetter als europäischer Banause, und ehrlich: wer will das schon?
 
Danach folgt der obligate Walk zum strahlend weißen Leuchtturm von Byron Bay, vorbei an unzähligen Aussichtspunkten über das türkiseste Meer, das ich kenne. (Ja, Ihr lieben aufmerksamen LeserInnen, ich weiß, das habe ich auch schon andernorts behauptet, aber ich empfinde es tatsächlich immer wieder so!) Alle Türkis- und Tiefblautöne, die die Farbpalette so hergibt, sowie wunderbare Sandtöne sowie ein strahlendes Gischtweiß könnte die neue Farbpalette für die bevorstehende Wohnzimmerrenovierung darstellen. Und dann taucht plötzlich unter uns in einem zarten Helltürkis eine Schule Delfine auf, gefolgt von einer Schildkröte und zwei Rochen. Ehrlich: Wie soll ich da nicht begeistert sein!
 
Weil es so schön und insbesondere so heiß ist, legen wir in Byron Bay noch eine Strandpause ein. Der Strand ist hier auch wirklich besonders einladend. Danach bringen wir die heute kurze Fahrstrecke nach Coolangatta an der Gold Coast hinter uns. Interessanterweise habe ich an den Ort zwar zwei dominante Erinnerungen – einen der wenigen ALDI-Supermärkte, die wir 2008 entdeckten, sowie einen tollen Flipflop-Laden – doch nur ALDI gibt es noch, und meiner Meinung nach ist er in einen anderen Ortsteil gewandert. Auch an den Campingplatz habe ich keinerlei Erinnerung, und auch nicht daran, dass wir mit dem Eintreffen in Cooly, wie man den Ort hier nennt, bereits von New South Wales nach Queensland gewechselt und somit eine Stunde gewonnen haben. Mitten durch den Ort, genau genommen entlang der Boundary Street, verläuft die Grenze! Eine Dame erzählt uns, dass sie im Nachbarort Tweed Heads wohnt und die hiesigen Öffnungszeiten gar nicht so genau weiß, da sie ohnehin immer eine andere Uhrzeit hat. Stimmt: wenn wir etwa um 19:00 Queensland-Time über den Campingplatz-Zaun spucken würden, käme die Spucke in New South Wales um 20:00 Ortszeit an. Quasi erst eine Stunde später, ein interessantes Gedankenspiel, das Max da anstellt (Max: zurück in die Zukunft, diesmal ohne Marty McFly, Emmet „Doc“ Brown und den coolen DeLorean DMC12). Wenn dann jemand zurückspucken würde, könnte die Fremdspucke unsere also fast überholen, oder habe ich da jetzt einen Denkfehler drinnen?
 
Wir spazieren noch in den Ort – die angeblichen 15 Minuten sind eher 40 – essen ein Early Bird Dinner und kehren dann zum Campingplatz zurück, wo in der Dämmerung der große Überfall durch mozzie-Hand erfolgt.
Oben: Richmond River in Ballina mit der vor dem springenden Fisch flüchtenden Schwimmerin
Unten: Man beachte die gewaltige Skyline der Sunshine Coast, die man von der Gold Coast in Coolangatta aus bereits am Horizont erahnen kann (Lignano? Costa Brava? Da haben die sonst so naturliebenden Aussies leider gewaltig über die Stränge geschlagen.)
Unten: Byron Bay Lighthouse, schön wie immer
Unten: Die angehenden Wohnzimmerfarben, vielleicht: Türkis-Blau-Sand-Gischtweiß

 


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