Vor fünf Jahren lautete unser Standort Singapur, 30 Grad, megaschwül. Heute biete ich 20 Grad, leichten Dicktropfenregen durchsetzt durch helle Hoffnungsschimmer (korrigiere beim Durchlesen auf starken Prasselregen ohne jegliche Silberstreifen), auchschonganzschönschwül. Das Cocooning von gestern abend geht auch in der Früh weiter, und auch der wunderbare Duft nach frischem Campingplatz (kein Wunder bei all dem nächtlichen Regen) hält an und erinnert mich paradoxerweise an zuhause. In Wien sage ich an lauen Sommermorgen nach dem Zeitungholen vor dem Haus nämlich oft zu Max: „Es riecht nach Campingplatz“, was mir meistens, eigentlich immer einen fragenden Blick einbringt. Deshalb sage ich heute morgen zu ihm, als ich die Tür des Campers geöffnet und ausreichend Frischluft hereingelassen habe: „Schau, so riecht Campingplatz“, aber ich weiß nicht, ob er das so gut versteht. Er sieht mich an wie sonst ich ihn, wenn er mir etwa erklären will, warum der Sichelmond in Australien manchmal auf dem Rücken liegt, manchmal auf dem Bauch und manchmal aufrecht steht und ich ihn dabei ertappe, dass er es eigentlich auch nicht so ganz genau weiß und ergo auch nicht so ganz genau erklären kann.
Das Cocooning bekommt heute morgen eine neue Dimension, denn da es mir zu nass erscheint, um aktive Koalas entdecken zu können, sehe ich mir einfach die besten Fotos der schlafenden Kerlchen von gestern noch einmal an, während ich mit den Füßen unter dem Schlafsack stecke, ein Glas Milch auf der Matratze neben mir nicht umzustoßen versuche, überlege, ob ich ein Erdnussbutter- oder Käsebrot ins „Bett“ bröseln soll, ob ich heute wohl schon wieder ein neues T-Shirt in den Kampf werfen muss und wie mein superspannender Krimi von Sophie Hannah „hurting distance“ weitergehen wird. Multitasking ist, wie man sieht, keine Frage der Räumlichkeiten, sondern lediglich eine Frage des Selbstbewusstseins.
Nach einem morgendlichen Spaziergang zu den Koalas (ich kann es eben doch nicht lassen und schaffe es dabei, ganze 99 Fotos von einem einzigen, sich zur Morgentoilette von oben bis unten kratzenden Koala zu machen) fahren wir los, ohne den One Mile Beach überhaupt zweckgemäß genutzt zu haben. Es geht nach Norden und zwar in mehr oder weniger starkem Dauerregen. Der einzige Lichtblick ist ein Kaff namens Bulahdelah, in dem die Touristeninfo zwar geschlossen hat, aber dennoch mit kostenlosem Internet auf der Veranda aufwartet. Da stehe ich also mit dem Laptop auf einer Mülltonne, draußen regnet es und ich freue mich diebisch über die Möglichkeit, endlich wieder problemlos ein Blog mit Fotos hochladen zu können.
Nach diesem fulminanten Highlight des Tages fahren wir in einer kurzen helleren wenn auch immer noch nassen Himmelsphase einen kleinen Umweg über den Crowdy National Park, wo es Kängurus geben soll. Diese sehen wir auf diesem urigen Campingplatz am Strand mit buschigem Hinterland zwar nicht, aber immerhin begegnen wir bei einem kleinen Walk (der Regen hat für 40 Minuten gerade rechtzeitig zu unserem Eintreffen eine Pause eingelegt) zahlreichen bewohnten Spinnennetzen, dem Schwanz eines uns nicht bekannten Tieres (Eidechse? Leguan? Schlange?) und zu guter Letzt auch noch einem weiteren Koala. Bei schönerem Wetter und besserer Selbstversorgungslage (bring your own water) hätte es mir hier in der Natur zwischen Strand und Busch schon gefallen, und abends und morgens wäre die Chance auf Kängurus am Diamond Head Campground vermutlich auch höher. Das Prospekt zeigt jedenfalls eindrücklich, wie schön die Felsen in der Sonne leuchten können.
Auf dem Tourist Drive 10 fahren wir dann eine hübsche Strecke nach Port Macquarie, wo es uns vor fünf Jahren sehr gut gefallen hat. Heute ist allerdings Sonntag und eher tote Hose und außerdem Schlechtwetter, was das Vergnügen auf diesem hübschen Campingplatz unter Norfolk Pines leider trübt. Auch die Delfine sind gerade nicht in der Bucht und die vielen im Graffiti-Stil bemalten Steine an der Kaimauer sind ohne Sonnenlicht leider auch nur halb so schön. Und auch die Wetterprognose für die nächsten Tage sorgt nicht gerade für Hochgefühle. Ob wir für jeden Regentag einen Tag Winter Break dazulegen dürfen, um auf insgesamt 99 Tage Sommer zu kommen?
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