99 Salzburger Schnürl und ein Wiener Gewitter nach Sydneysider Art

Sommer ist ein eher relatives Konzept. Für diese Erkenntnis hätten wir zugegebernmaßen nicht nach Australien fahren müssen. Die Relativität gilt unnabhängig von der Halbkugel, auf der man sich gerade befindet, das versteht sich fast von selbst, auch für die Wettervorhersagen. Aus den heutigen 26 Grad, partly cloudy, wurden 20 Grad, Viennese November grey. Dieser Farbton stört die Schwimmer, die heute morgen am Bondi Beach ein Wettschwimmen gegen die gigantischen Wellen in Angriff nehmen, kaum.

Mich auch nicht. Heute ist Sonntag, und sonntags bin ich in Sydney "a woman with a mission". Sydney hat nämlich eine unglaubliche Fülle von Kunsthandwerksmärkten, und diese wollen besucht und erneut besucht werden – heute wieder ohne Max, dafür aber mit einer großen Portion Abschiedswehmut, denn in nur drei Tagen verlassen wir Sydney gen Norden.

Das heutige Programm sieht, nach einem kleinen Frühstück mit fast echtem Schwarzbrot in der Sonoma Bakery, die Märkte Bondi, Kirribilli und The Rocks vor. Am frühen Nachmittag zuhause angekommen, beginnt es, immer mehr zuzuziehen – ich kann in den verschiedenen Grautönen mittlerweile feine Nuancen erkennen, und die heutigen verheißen nichts Gutes. Da ich aber nicht zuhause versumpern und das graue Trübsal blasen möchte, ziehe ich noch einmal los. Es hat zu nieseln begonnen, was eine echte Sydneysiderin kalt lässt wie nur was. Wie es sich hier gehört, bleibe ich beim Standard-Outfit bestehen aus Short, leichten Schuhen, T-Shirt und Schirmkappe, das in solchen Wetterfällen durch eine Weste aufgemotzt werden darf.

Ich spaziere am Strand entlang zur Promenade und finde das Nieseln richtig schön, so ein leichter Sommerregen ist ja nicht das Schlechteste. Als ich mich 30 Minuten von zuhause entfernt befinde, wird aus dem zarten Niesel plötzlich ein weniger zarter Salzburger Schnürlregen, der sich weitere fünf Minuten später in ein gewaltiges Wiener Gewitter auswächst, das allerdings weiterhin mit angenehmen Sydneysider Temperaturen aufwartet. Ich bin wohl auch ein wenig vom rechten Weg abgekommen, denn da, wo überdachte Geschäftspassagen sein sollten, sind nur mehr Wohnhäuser, und unter den Bäumen will ich bei diesem Gewitter auch nicht unbedingt Schutz suchen. Der Stadtplan, mittlerweile eher als nasser unlesbarer Lappen zu bezeichnen, hatte schon vor dem Regen nur jede zweite Straße eingezeichnet, ist also auch keine große Hilfe mehr. Im Laufschritt oder dem, was ein immer noch beleidigtes Knie darunter versteht, trete ich das an, was ich für den Heimweg halte. Von meiner Schirmkappe strömt der Regen, aus den eigentlich eng anliegenden Bündchen der Ärmeln rinnen kleine Bäche, und meine Schuhe (oben und seitlich offen) rinnt das Wasser. Kurz entschlossen ziehe ich sie aus und nähere mich damit schlagartig dem Look der Sydneysider noch ein Stück an. Cool, oder?

Kleine Lacken hinter mir ins Apartment ziehend beschließe ich meinen Sonntagsauflug. Bleibt nur noch ein altbekanntes Problem an grauen und nassen Tagen wie diesen: Was könnte ich backen? Und überhaupt: Wie heißt diese Krankheit, die dafür sorgt, dass ich beim ersten Anflug der neu  entdeckten, saisonal unabhängigen Winterdepri unbedingt einen Kuchen (vorzugsweise mit hohem Schokogehalt) backen muss? Doch mit den Zutaten, die unser Kühlschrank hier und den technischen Geräten, die dieses Apartment hergeben, schaffe ich höchstens Tomatensorbet auf Bananenscheiben mit Macadamianuss-Crumble oder Nektarinen-Salat auf Erdnussbutter mit gerösteten Knoblauchscheiben. Ob so die wirklich großen Kochtrends der Welt entstanden sind? Alternativ könnte ich auch aus dem Rest Cookies & Cream-Eiscreme die Kuchenstückchen herauslösen und versuchen, ihnen im Backrohr neues Leben als Kuchenkrümel mit Schokoduft einzuhauchen. Will jemand vorbeikommen? Da fällt mir ein: Heiße Schokolade gibt es auch – braucht nur noch jemand die Schoko-Himbeer-Muffins mitbringen! Bis später dann, Ihr Lieben! Ich stelle schon mal die Milch auf…


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