Was noch ein Glück ist: Dieser Überlegung gehe ich heute morgen nach, als es wie angekündigt prasselt und prasselt – and then some more. Ich neige bei alleinigem Gefühl des Eingesperrtseins schnell mal zu Mitleid (aka Jammern auf hohem Niveau), und da bedarf es einer gewissen Motivationsgabe, die mir in diesen Fällen aber leider ebenfalls nicht in die Wiege oder unter den Regenschirm gelegt worden ist.
Also, Glück ist, dass ich gestern noch Ausflug im Trockenen, Strand in der Sonne und sogar einen Frosé hatte. Glück ist, hoffe ich, dass ich quasi nichts zum Essen zuhause habe und mich daher gezwungen habe, irgendwann das Haus zu verlassen – und sei es nur die 68 Schritte zu Domino’s Pizza. (Ob es auch Breakfast Pizza gibt?) Glück ist weiters, dass ich The Makery statt wie für heute geplant schon gestern am Weg „erledigt“ habe – nur für den Fall, dass Domino’s das Weiteste ist, was ich heute an Weg zurücklegen werde. Glück ist auch, dass ich gestern meine Mermaid noch abgeholt habe, und ich dadurch nicht heute bis zu Humphreys gehen muss, um sie an mich zu reißen, und dadurch gestern doch noch in den Genuss des Frosé kam.
Jetzt fällt mir aber nicht mehr viel ein. Okay, Glück ist, bei diesem Wetter ein Apartment zu bewohnen und nicht ein womöglich undichtes Wohnmobil, das womöglich sehr weit entfernt von den nächsten Toiletten und auch Cafés geparkt ist. Was nicht heißt, dass ich es nicht auch gut fände, jetzt bereits zuhause am gemütlichen Sofa zu sitzen und mich ein bisschen vom Liebsten hofieren zu lassen und nichts zu tun, als meiner Bräune beim Verblassen zuzusehen. Was wiederum schwierig ist, denn bei den derzeitigen heimischen Klimaverhältnissen kann ich das wohl nur an den Handoberflächen beobachten.)
Das gestrige Graffiti, das „smell of rain“ in die Reihe der beglückenden Dinge gereiht hat, geht um 6 Uhr morgens noch auf, als herrlich kühle Luft durch den kakadusicheren Fensterschlitz dringt. Ab 6:10 Uhr wird es schwierig, und ab 6:30 Uhr fehlt mir bereits jegliches Verständnis für den Reiz dieses Dufts. Überhaupt: So kühl wie es heute riecht, werde ich wohl eine Weste (schreibt man das so?) anziehen – erstmals seit meiner Ankunft, wenn man von 5 erfrorenen Minuten zwischendurch mal absieht. Wozu ich einen Zweitsweater mithabe, weiß ich sowieso nicht.
Um 8:17 Uhr habe ich: a) alle herumliegenden Zettel ausgeschnitten und in mein schönes Tagebuch eingeklebt b) alle in Bubblewrap verpackten Bildeinkäufe ausgepackt, das überall festklebende Tape entfernt und die Bilder in einen einzigen Stapel gepackt c) die letzte halbe English Muffin-Hälfte und einen letzten Schluck Milch vernichtet d) zwei T-Shirts mit der Hand gewaschen e) unzählige Altpapierteilchen gesichtet und interessante Teile für den morgigen Collage & Sketch-Kurs ausgeschnitten f) alle gesammelten Sände in den kleinen Flascherln in einem einzigen Zip-Lock fusioniert und beschriftet! g) dieselben Sunrise-Nachrichten zweimal durchlaufen h) 54 Mal zum Fenster hinausgesehen und versucht, die unterschiedlichen Grautöne, Regentöne und Missstimmungstöne zu differenzieren und kategorisieren i) die Pläne für den heutigen Tag 17 Mal über den Haufen geworfen und 12 Mal neu aufgebaut (ein Minus von 5, ich weiß!) j) mein Handgepäck gedanklich 8 Mal gepackt und 8 Mal wieder ausgepackt k) meine kleine Mermaid befragt, ob sie sich traut, im Hauptgepäck zu reisen oder sie sich sicherer fühlen würde, wenn sie im Handgepäck um 20 cm herausstehen würde (keine Antwort, eh klar!) l) 26 Mal nachgesehen, ob mir vielleicht irgendwer via Facebook/Messenger Mut für diese letzten regenreichen Tage zuspricht (nö, natürlich nicht) m) einen riesigen Sack Altpapier zusammengetragen n) 29 Mal unter den Kissen nachgesehen, ob sich dort vielleicht ein Hauch Kreativität für ein paar morgendliche Sketches verbirgt (keine Spur!) o) meine Faszien reichlich über die Schwimmnudel gerollt p) mich am angeblich wunderbaren „smell of rain“ sattgerochen q) mich 12 Mal gefragt, ob die für heute anvisierten Märkte überhaupt stattfinden r) beschlossen, in Kürze mal vors Haus zu gehen, die lokale Gratiszeitung zu holen und dabei eine Live-Wettersichtung vorzunehmen und vielleicht den letzten im Apartment gefundenen Regenschirm einem ersten Härtetest zu unterziehen s) meinen Surfnachbarn im Lift getroffen, der meinte, dass heute (Sturm und Regen) endlich mal perfektes Surfwetter ist (aha) t) in Notstandsmodus geschaltet und bei der Bakery nicht nur eine Cherry Pie zum Frühstück sondern auch eine Long roll für den vielleicht Long day at home gekauft u) ebendort den Dialog gehört, bei dem ein Vater mit Sohn der Verkäuferin erklärt hat, dass er natürlich bereits um 8:30 Uhr mit seinem Kind unterwegs ist, denn „the weather is alright, it’s not as if it were freezing cold“ (auch eine Betrachtungsweise, v.a. wenn man beachtet, dass die meisten Leute ohne Schirm unterwegs sind, was aber wohl daran liegt, dass die, die einem Schirm einsetzen würden, lieber zuhause bleiben) v) erkannt, dass der Manly Weekend Market jedenfalls nicht stattfindet, was Punkt q) beantwortet, dass derlei Regenausflüge heute wohl sinnlos sind und zudem bedeutet, dass ich keine Chance mehr habe, noch eine anvisierte Kleinigkeit am hiesigen Markt zu erwerben w) in der Zeitung gelesen, dass Mr Netanyahu gestern tatsächlich in „meiner“ Manly Wine Bar war, als ich den ersten Frosé-Versuch gestartet habe!!! x) weiters mein Horoskop studiert, das besagt: „…However, as you will swiftly discover, with the foundation on which plans are being made shifting, even simple Arrangements are bound to go through several Versions. Knowing that, for now, focus on explorations. Final decisions can wait.“ In diesem Sinne gehe ich jetzt zurück zu Zeitung und Cherry Pie und beschließe später, ob und was ich dem heutigen Tag antun könnte. Bar- und schirmlos über den Strand spazieren? Oder so tun, als ob nichts wäre und in die Stadt fahren? Final decisions will have to wait… y) das wohl längste Blog meines Lebens geschrieben und z) alle meine Leserinnen für immer und ewig vergrault (wer kann das schon von sich behaupten?)
Irgendwann fällt mir die Decke auf den Kopf und ich gehe doch hinaus, bewaffnet mit einem neuen Schirm aus dem Apartment (genauso sinnlos wie der erste), spaziere (ein zu hübsches Wort für das Durchdenströmendenregenkämpfen) am Strand entlang, sehe den Surfern zu und mir die für das heute beginnende (also theoretisch) Australian Surf Open aufgebauten Standl an und kehre dann in der einladenden Sugar Lounge ein. Mein Sketchbook habe ich triple-wrapped, also dreifach wasserdicht eingepackt, und während ich gemütlich frühstücke, arbeite ich an ein paar Sketches auf Basis der Fotos, die ich gestern in Bondi gemacht und am ebenfalls dreifach wasserdicht verpackten iPad als Vorlage mitgenommen habe. Das Highlight des Tages ist wohl die Aussage der Kellnerin: „Your drawings are amazing!“
Danach noch eine Runde unter den Arkaden des Corso und dann nach Hause. Auf Shoppen habe ich a) keine rechte Lust und b) ganz sicher keinen Platz im Gepäck (das bereitet mir sowieso schon ausreichend Kopfzerbrechen, seit ich heute Früh eine Bestandsaufnahme gemacht habe) und c) kenne ich die Geschäfte hier wirklich schon in- und auswändig. Im Apartment beglückt mich dann – fast wie ein regnerischer Samstagnachmittag zuhause, nur ohne frisch gebackenen Schokokuchen – eine Wiederholung der Married at First Sight-Folge, die ich wegen des Dienstagskurses versäumt habe. Das Schwierigste ist ja, kein schlechtes Gewissen zu haben, weil man einen Tag (oder vielleicht auch mehrere) wegen unglücklichen Umständen nicht „nutzen“ kann, aber das reife Reise-Ich sollte das schon beherrschen, erinnere ich mich, flacke mich aufs Bett und vergammle den restlichen Tag.
Um 14:30 Uhr habe ich: a) meinen Nachbarn ganze 45 Minuten beim Staubsaugen ihres 20 m2 großen Apartments zugehört b) meinen anderen Nachbarn beim lautstarken Duschen zugehört (der Dauer nach eine 12-köpfige, sehr schmutzige Familie) c) drei Sketches koloriert (put colour on, nicht colouring in – ganz wichtig!) d) 12 Mal daran gedacht, ein Peanut Butter-Brötchen zu essen, das aber für viel zu früh befunden e) 2 Shake Me Babies geleert und überlegt, wie ich Merkur dazu bewegen kann, diesen Lemon & Lime Bitter-Sirup ins Sortiment aufzunehmen f) 29 Mal zum Fenster hinausgeblickt, weil es den Anschein hatte aufzureißen – nur um festzustellen, dass es unermüdlich weiterschüttet g) erste Überlegungen für weitere Unternehmungen nächste Woche bei anhaltendem Sauwetter angestellt, mich aber für keine erwärmen können
Um 16:30 Uhr bin ich bereits sehr gut abgelegen – Binge Watching, Sketching, Gammeling – und bereit für einen neuen Tag, auch wenn ich weiß, dass er genauso regnerisch wird wie der heutige. Aber der Kurs wird mich zumindest für ein paar Stunden ablenken, jawohl! Wie komisch: In Wien wünsche ich mir oft, dass mir mal so richtig fad ist, und hier ist mir fad, und ich halte es kaum aus – so wenig, dass ich nachschlage, wie lange der Supermarkt heute offen hat, falls ich ganz dringend unter Menschen muss. (Bis 24 Uhr, das sollte reichen 😉 ) Aber das Nicht-Aushalten liegt wohl auch daran, dass es keine selbst gewählte Fadesse ist – mir wäre ja nicht fad, wenn das Wetter nicht dermaßen erbärmlich wäre. Und überhaupt: Was heißt hier „showers“? Das ist ein unerbittlicher Salzburger Schnürlregen ohne Ende in Sicht.
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