Das gestrige Abendgewitter hinterlässt einen knallorangen Wolkenhimmel und eine kühle Nacht mit nur 17 Grad, bei der ich mich kakadusicher nur leicht geöffneten Fenstern schlafen traue – herrlich, mal frische und nicht schwüle Luft, wenn auch nur durch Minifensterschlitze! Der nächste Morgen: Das Knie schmerzt, die Sonne lacht – eine unglückliche Kombination. Können nicht bitte immer beide gleichzeitig lachen?
Ich kürze kniebedingt die Mehrbuchtenwanderung auf zwei Buchten, wobei genau genommen eine einzige Bucht gereicht hätte – das traumhafte Cremorne Reserve mit Blick auf Buchten und Boote und Hintergrunduntermalung durch Opernhaus und Harbour Bridge. Dazwischen der schlanke Maccallum Pool, für den es mir zu herbstlich kühl ist, der aber mit diesem Panorama ein Wahnsinn ist. Besonders amüsiert mich beim Karraba Point die Reihe von Zitatschildern, u,a. jenes das sagt „Wenn einer eine Reise thut, dann kann er was verzählen.“ Verzählen? Das kann ich, aber nicht nur auf Reisen….
Ein bisschen nach Wahnsinn sehen auch die Wohnstraßen in dieser Gegend aus. Heute dürfte Sperrmüllabholungstag sein und vor jedem Haus stehen gehsteigfüllend Kisten mit Ramsch, rostige Griller, alte Möbel etc. Aber siehe da, in einer der Kisten liegen Schwimmnudelteile, sorgfältig seziert. Ich stürze mich darauf wie ein Junkie, denn wie ich seit einigen Monaten weiß, besitzt der Mensch Faszien, die, wenn sie etwa durch stete Überbelastung zu stark unter Zug stehen, unglaubliche Schmerzen verursachen können. Zuhause habe ich daher eine Schwimmnudel als Faszienrolle zurecht geschnitten und sogar überlegt, diese mitzunehmen. Was natürlich sinnlos wäre, weil das ja nicht wie ein Schmerzpulver sofort wirkt und ich dachte, dass ich im Fall des Falles hier ja jederzeit eine Schwimmnudel kaufen und zerschnippeln kann. Bloß dass dann, wenn man sie grad braucht, natürlich der Weg zum nächsten Laden, der so etwas vielleicht führt, auch kein Riesenspaß ist. Ich fasse die erste Nudel und erschrecke: Sie ist durch und durch nass, um nicht zu sagen gatschig. Ich höre Max sagen: „Das ist aber nicht dein Ernst!“, sehe mich nicken und nach dem nächsten Stück greifen. Und dieses hat die perfekte Länge, ist innen sogar irgendwie seltsam verstärkt und passt perfekt in meinen Rucksack. Wenn das kein gutes Zeichen ist – für was auch immer!
„Worauf ich jetzt Lust habe?“ ist heute eine schwierigere Frage als sonst, aber die Antwort lautet dennoch: Balmoral Beach, Fish & Chips im Boathouse. Der Busweg dorthin ist etwas umständlich, aber der Strand ist heute so schön wie überhaupt noch nie: glasklares Wasser, glasklarer Strand, glasklarer Himmel, glasklare Seele. Ich merke auch, wie sich durch das Sketchen meine Wahrnehmung ändert – das ist spannend, könnte mein Leben aber auf eine angenehme, für andere vielleicht unangenehme Weise verlangsamen. Ich sehe überall nur Formen und Farben und muss mich zurückhalten, fremde Leute zu nötigen, in der Bewegung innezuhalten, bis ich fertig bin mit dem Schauen und Zeichnen. Meistens versuche ich dann, unauffällig ein Foto von ihnen zu machen, um sie später in Ruhe zeichnen zu können. Weil ich so vernünftig (= angeschlagen) bin, verzichte ich auf weitere Strandbegehungen und nehme die Busse nach Manly zurück, wo ich mich im Sonnenschein aufbahren möchte.
Zum Tagesabschluss gibt es in Manly daher zur schnelleren Knieheilung eine Portion Ben & eine Portion Jerry’s, einen Büchertausch bei Andy’s Book Exchange, bei dem ich erfahre, dass er am 10. April für immer zusperrt (sniff!), ein Abschiedstuch (ein wunderbar türkis bestücktes Teil, das man einfach besitzen muss auch wenn es wirklich zu nichts passt!) sowie eine Runde sonnenölloses Lesen, Fotografieren und Sketchen am Rockpool, der vor 5 Uhr wunderbar menschenarm vor sich hindöst und mich einlädt, mein Knie darin zu kühlen (ja, das Wasser ist tatsächlich recht kühl, nur 21 Grad).
Fazit des knieschonenden Tages: mehr Bus- und Fährfahrten als sonst, aber so komme ich insgesamt „nur“ auf 10,2 km und ganze vier Sketches – und mit einer 400g-Tablette aus! Und da heute Fernsehabend ist (Married at First Sight und danach „Bride & Prejudice), lege ich schon mal die Nudel am Boden bereit, um mich in den zahlreichen Werbepasuen darauf zu quälen und zu hoffen, dass die Qual einen Sinn hat!
|