Donnerstag, 18.1.2017: Die Technik, das Wollschwein und ich |
Es gibt Tage, an denen man es nicht leicht mit sich hat, und andere, an denen man es nicht leicht mit der Technik hat – und solche, wo beides ,naturgemäß, Hand in Hand geht. Einen solchen Tag haben wir HEUTE. Es gibt Tage, wo man innerlich und äußerlich ein bisschen unrund ist, weil die Mitbewohner, weil der Nieselregen, weil überhaupt – kurz gesagt, Tage, an denen man sogar ein Wollschwein fotografierenswert findet. Auch einen solchen Tag haben wir HEUTE. Der Jetlag scheint größtenteils überwunden, die Hochsommerphase leider auch. Es ist total bewölkt heute und die Temperatur ist gegenüber zu gestern um 15 Grad gefallen, heute werden es nur zwischen 21 und 25 Grad. Ich freue mich riesig, dass ich meine gestrige Wanderung trotz der extremen Temperaturen durchgezogen habe und das heutige Hmpf-Wetter für eine Stadtviertelerkundung verwenden kann. Alexandria heißt das Ziel, genau genommen The Grounds of Alexandria. Der Weg dorthin ist nicht einfach zu finden, denn das Handy, hier beginnt unser Zwist heute bereits, insistiert nach dem Verlassen des Zugs, dass ich ein Bus oder anderweitiges mindestens vierrädriges Gefährt bin und will mich trotz Anzeige „Fußgänger“ am Display hartnäckig über den Princess Highway marschieren lassen. Ich bin normal in solchen Sachen sehr gutgläubig, denn selbst das stumpfsinnigste Gerät hat schnell mal mehr Orientierung als ich, aber das hier – nein. Highway, das ist in diesem Bereich eine 6-spurige Schnellstraße ohne Gehsteig. Da spiele ich nicht mit, sondern schlage mich anderweitig durch – und zwar durch abgesandelte Industriestraßen in Flughafennähe mit wenig bis keinem Flair. Erste Zweifel an meiner Entscheidung kommen schnell auf. Doch bei The Grounds (http://thegrounds.com.au/) angekommen freue ich mich, dass die Beschreibungen in jeder Hinsicht zutreffend und die Zweifel absolut unbegründet waren. Auf einem ehemaligen riesigen Industriegelände ist hier eine wunderbare Mischung aus Cafes, Bars, Blumenladen, Lemonade Stall, Donut-Wagen, Pastry-Wagen, Mini-Streichelzoo mit Wollschwein und blauem Hauspapagei entstanden – inkl. fantastischer Vegetation und liebevoll gestalteten Details und Sitzgelegenheiten im Freien und drinnen. Hier wird mal in aller Ruhe gefrühstückt. Mittlerweile muss das Handy einsehen, dass es sich auch in puncto Wetterprognose geirrt hat, denn aus 0% Regenwahrscheinlichkeit ist ein leichter, aber hartnäckiger Dauernieselregen geworden. Nun gut, kann jedem mal passieren. Was nun? Ein paar Recherchen ergeben, dass Newtown, ein anderes erkundenswertes Viertel, nicht allzu weit ist. Wieder befindet das Handy, ich solle mich unter die Busse mischen und auf den Highway auffahren, was ich aber stur verweigere, sondern in einen Bus einsteige, der zufällig meines Weges kommt. Newtown sieht auf den ersten Blick etwas abgefuckt aus, doch bei genauerem Hinsehen entdeckt man zwischen unzähligen Antiquitäten- und Ramschläden viele kleine Perlen – so etwa hübsche Buchläden und ein wunderbares Papiergeschäft. Außerdem ist Newtown eine einzige Arkadenstraße, was dem Nieselregen vorübergehend einen Strich durch die Rechnung macht. Als ich das Handy wieder einmal nach dem Weg frage, beschließt es, auf Nachtmodus zu stellen. Das Display ist schwarz – okay, von mir aus, müde genug wäre ich ja schon, und solange ich den Weg ablesen kann, ist mir alles recht. Der Blick auf die Handyuhr sagt: 16 Uhr. Hui, war ich wirklich schon so lange unterwegs? Wie gesagt – müde genug wäre ich. Das viele Planen, Disponieren, Umdisponieren, Wegsuchen und Weggehen strengt an. Ich beschließe also, mich nach Hause zu begeben und weil es ja schon so spät ist, schlafe ich im Bus auch gleich ein. Ist aber kein Problem, denn meine Station ist jene direkt nach der Kurve, in der man regelmäßig fast vom Sitz geschleudert und somit automatisch aufgeweckt wird. Also zurück ins Apartment, wo ich am iPad meine Mails checke und feststelle, dass es erst 14 Uhr ist. Wollen meine Geräte mich pflanzen? Darf ich nun schon tagemüde sein? Muss ich schon hungrig werden? Was hat die Technik gegen mich? (Und nein, das Handy ist weiterhin auf „Uhrzeit/Zeitzone automatisch beziehen“ eingestellt, nur um das mal auszuschließen. Ansonsten werden sachdienliche Hinweise zur Änderung des Nacht-Displays und der Uhrzeitkorrektur aber gerne entgegengenommen. Diese Bitte erübrigt sich jetzt, da mir das Handy bei meiner Abendrunde auch das Aufnehmen von Fotos verweigert hat und ich mich nun ernsthaft mit dem Handy befassen musste. Es gab genug Speicherplatz, aber die Fotos wurden nie angezeigt, aber scheinbar gemacht. Wie auch immer, als ich wie durch Zauberhand die Unrzeit wieder richtig anzeigen konnte, ging auch das fotografieren wieder. Reinste Magie! Und dann gings ans Auswählen meines Abendessenlokals, nicht nach Gusto oder Preis, sondern nach Windstille! Denn die Idee, meine gesammelten Zetterln auswärts vertagezubuchen, ist super – vor allem, wenn ich das ganze Zwigs nur zum Abendessen mitnehme und nicht den ganzen Tag rumschleppe. In Bondi Beach ist Windstille selbst in Lokalen ein karges Gut, denn alles ist sehr luftig und tagebuchschnipselunfreundlich angelegt. Doch im Buchcafe Gertrude & Alice finde ich ein Platzerl, wo ich einigermaßen ungestört nur im kleinen Luftzug der Klimaanlage mit Klebstoff, Schere und Tagebuch hantieren kann, ohne dass sich diese in alle Winde zerstreuen. Die Quiche mit viel Salat war übrigens auch nicht schlecht. Noch eine hübsche Idee eines anderen Buchladens: Überraschungsbuchgeschenke – bereits verpackte Bücher, die nur beschlagwortet sind. Gefällt mir! In die Kategorie „Wir lernen“ fallen heute folgende Erkenntnisse: |