sydnEySCAPE 2017: Der Kakadu, der Herzinfarkt und ich

Sonntag, 29.1.2017 – Der Kakadu, der Herzinfarkt und ich oder: Ich habe einen Vogel, weiß mit gelbem Kamm
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Nach einem absolut – wenn auch erschöpfungsbedingt – dekadenten Abend mit Pizza und Lemon & Lime Bitter-Drink im Bett und „Grease“ im Fernsehen schlafe ich mit nassen Haaren trotz Straßenlärm schnell ein. Des Nachts – Saturday Night – werde ich ein paar Mal von randalierenden Menschen auf der Straße und dem trotz geöffnetem Fenster unvermeidlichen Schweißausbruch geweckt, dafür ist der Sonntagmorgen umso friedlicher. Punkt sechs Uhr sind es diesmal die Birdies, die mich wecken. Ich beschließe, einen Ruhetag zu machen – auch wenn sich derlei kniefreundliche Vorsätze oft nicht lange halten. Immerhin: Bis 7 Uhr bleibe ich im Bett, wenn auch mit Tagebuch und Papierschnipsel bewaffnet. (Ja, es gäbe einen Esstisch und einen Couchtisch, aber das Bett ist derzeit eindeutig der einladendste Spielplatz.)

Ich spüre, wie langsam die „Worauf habe ich jetzt und hier“-Lust hochkommt, die ich in den ersten beiden Wochen vermisst habe. In diesem Sinne: Joghurt und Müsli und dann sehe ich weiter! Und das was ich kurz darauf zu sehen bekomme, versetzt mir einen ziemlichen Schock. Ich sitze mit dem Rücken zum Fenster am Esstisch, als ich plötzlich irgendetwas bemerke und mich umdrehe. Und da sitzt doch im schmalen Spalt des geöffneten Fensters ein riesig wirkender Kakadu. Ich hüpfe auf, lasse meinen Blick durch das Zimmer streifen auf der Suche nach einem kameraartigen Gerät, als der Kakadu meinem Beispiel folgt und ebenfalls hüpft – über die Schwelle des Fensterrahmens aufs innere Fensterbrett. Auf ihn mit Gebrüll, lautet das einzige Motto, das mir in diesem Moment einfallen will. Die Vorstellung, einen wirklich großen und dann vermutlich wild um sich schlagenden Kakadu in dem winzigen Apartment zu haben, macht mich leicht panisch. Er lässt sich artig in die Flucht schlagen, vertrieben von Gebrüll und lautem Herzklopfen. Und lässt mich mit der Frage aller Fragen zurück: Darf ich nun die Fenster gar nicht mehr öffnen? Aus mit jedem Frischluftansatz?

Dermaßen geschockt ziehe ich los und mache einen auf local – sehr entspannt bin ich heute, es ist noch recht diesig und bedeckt, erst gegen 9 Uhr unterwegs. Leisertreten wäre wie gesagt das Motto zum Tag. Ich flaniere die beiden Esplanaden ab, suche einen Cache, finde auch genau die Konstruktion, an oder in der er sich verbergen muss, kann ihn aber nicht orten. Schicke Max ein Foto, auf das er die Konstruktion vielleicht auf technische Mängel und verborgenen Cache analysieren kann, und lege mich schließlich an den Strand, weihe mein neues rundes Fransenbadetuch mit Wassermelonenmotiv ein und, als echter local, darf auch eine kleine Lemon Meringue Pie nicht fehlen. Dann ein Spaziergang zum Rockpool, wo sich am Wegesrand in der herauskomenden Sonne auch zwei Waterdragons zeigen und ich ins eigentlich sehr kühle Wasser gehe und am Heimweg zur Siesta noch eine wichtige Anschaffung tätige: eine Tupperware-Box für Picknicke am Strand oder am Dach. Siesta, jawohl!

Um 14 Uhr meinen die Beine dann, genug leiser getreten zu haben und verlangen nach einem kurzen Spaziergang rüber in die Bucht von Little Manly (traumhaft türkisblauees Meer!). Und weil es ihnen so viel Spaß macht, wollen sie weiter zum Collins Beach (ebenfalls traumhaft türkisblaues Meer!).und dann sollte es nicht mehr weit zu einem Cache sein, den ich bereits in den Vorjahren nicht gefunden habe. Wild entschlossen wäre ich ja; leider sind auch die Spinnen wild entschlossen, mich von meinem Vorhaben abzubringen, im dichten Wald unter einem Baumstamm zu suchen. Schade. Also weiter zum nächsten Cache – „nur“ 35 Minuten Serpentinen um Serpentinen. Angeblich. Das bei einer Luftfeuchtigkeit von gefühlten 98 Prozent und seltsam bedecktem, aber sehr schweißtreibendem Himmel. Zuhause würde ich sagen: Jetzt kommt bald ein Gewitter. Und mich verdrücken. Hier aber heißt es: Weiter und weiter. Und weiter, vorbei an Dutzenden unbeschrifteten Abzweigungen mit einer kleinen Landkarte, die orientierungslosen Menschen wie mir genau gar nicht hilft. Bei einer kleinen Info erfahre ich einiges über das Spinnentum hier (die meisten sind „low risk spiders), die Hinweise zum weiteren Weg sind interessant, aber wenig hilfreich, die Lookouts auf die Stadt liefern nur ein gräuliches Bild wie anno dazumal unser erster Fernseher von der Mondlandung. Außer mir weit und breit keine Lebewesen, die nicht in die Kategorie „Spinnen“ fallen.

Selbst die Straße für die Autos, die ich eine Zeit lang gegangen bin, ist weit weg. Als mich Tom anchattet, bin ich kurz versucht zu schreiben: „Search for me on North Head if you don’t hear back from me by tonight“. Mein Mützchen, immer dabei, ist durchtränkt, als ob ich durch einen reißenden Fluss getaucht wäre, Weiter und weiter über hübsche Boardwalks, tiefe Sandpisten, dichtes Buschwerk. Und irgendwann aus dem Nichts: ein Parkplatz. Und Menschen. Und das Bella Vista Cafe, das ich immer schon besuchen wollte. Daraus wird heute allerdings auch nichts, was bei dem grau-diesigen Himmel nicht nur an der fehlenden „Bella“ liegt, sondern auch daran, dass der Gedanke, den letzten Bus hinunter nach Manly zu versäumen, weitere Stunden Geharbeit im Niemandsland bedeuten würde und ich das vor meinen Knien einfach nicht verantworten kann. Also los zum Bus, der gerade kommt, zurück nach Manly und genug für den Tag. Mein Handy meldet, dass sich das Leisertreten auf 9,4 km belaufen hat. Wie konnte es soweit kommen?

Angesichts der Wetter- und Gebeinlage werde ich heute wohl nicht mehr mit der Fähre in die Stadt fahren, um die anlässlich des neuen Jahres rot beleuchtete Oper und Harbour Bridge zu sehen. Frau muss eben ihre Prioritäten setzen. Diese heißt jetzt zweifellos: Duschen!

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