On the road 2016: Follow your heart, and the pelicans from Coorong NP to Kangaroo Island

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Montag, 21/03/2016 – Follow your heart, and the pelicans

Nach 10 Grad in der Nacht ist es erlaubt, auf eine Dusche zu verzichten. Geeiste Locken könnten eventuell ein nettes Dessert sein, auf meinem Kopf brauche ich sie aber nicht. Ich friere mir stattdessen beim Sonnenaufgang über dem kleinen See, an dem wir unseren Stellplatz hatten, die Finger ab (die Zehen sind bereits seit Stunden gefühllos). Ein blitzblauer Winterhimmel begrüßt uns. Wir müssen früh on the road, um die 16 Uhr-Fähre in Cape Jervis zu erreichen.

Zum Frühstück bleiben wir – ganz Robe ist noch genauso aufgerollt und zugemacht wie gestern abend – beim einzig offenen Laden stehen, der sich glücklicherweise als Bakery entpuppt. Wir nehmen heiße Getränke und getoastete Sandwiches hinunter zum Strand, wo wir sie in der Nochnichtmal-acht-Uhr-Sonne verspeisen – sehr langsam in meinem Fall, um mir länger die Finger daran erwärmen zu können.

Die lange Fahrt heute führt über weite Strecken am Princes Highway durch den Coorong National Park – viel Busch, ein Fuchs mit frisch erlegtem Hasen im Maul, eine Art Reh. Und dann bei der kleinen Umfahrung in der Seven Mile Road die größte Pelikanveranstaltung, die ich je gesehen habe. Hunderte, und zwar richtig viele Hunderte fliegen, schwimmen und sitzen direkt an der Küste, spiegeln sich im Wasser und genießen mit uns den blauen Himmel. Nur frieren tun sie, wie ich vermute, etwas weniger.

Eine kleine Verfahrung später setzen wir mit der Minifähre bei Wellington über den Fluss, quasi als Übung für die größere Fährfahrt nach KI am Nachmittag. Himmel blau, Gänsehaut am Abklingen („goosebumps easing“, wie das hier wohl heißen würde), „hunger rising“ und eine 12-Uhr-Wolke und wenn ich mich sehr anstrenge und beim langen Gefahrenwerden meinen Gedanken nachhänge auch ein paar Sachen, auf die ich mich in Wien – abgesehen von Familie und Freunden – freue: neben dem eigenen Bett und einem WC, zu dessen Besuch man nicht durch klirrende Kälte stapfen muss, nur um danach jede Menge Sand/Gatsch ins Wohnschlafgemach zu schleppen, natürlich die ersten Buchlieferungrn der unterwegs gesichteten und online bestellten Bücher mit in kcal messbaren Australien-Erinnerungen und die beiden australischen delicious-Magazine aus meinem Abo, die auch zuhause auf mich warten müssten.

Eher sehr weit unten auf der Vorfreude-Liste findet sich die Tatsache, dass ich eigentlich ab Ostermontag bereits mal ziemlich reinhackeln miss, da ein Kunde einen Liefertermin nach vor verlegt hat. Das hat aber (no worries, Alte!) auch den Vorteil, dass ich dem Jetlag nicht total verfallen kann und zudem gleich wieder Geld verdiene, um mir damit (irgendwie muss ich mich ja ködern) zum Geburtstag zwei australisch angehauchte Geschenke machen kann.

Die Ideen- und Projektliste ist wie immer nach Urlauben sehr lang, und wie immer hoffe ich, das eine UND andere umsetzen zu können. Ich nehme mir fest vor, die Ideen bei nächster nicht-rumpeliger Gelegenheit (geschehen auf der nachfolgenden 45-Minuten-Fährenfahrt) fein säuberlich zusammenzufassen und priorisieren und sie in der Zeit, bis ich zuhause das Apartment für die nächste „Auslandskur“ ausbaldowert habe, in Angriff zu nehmen. Sydney, again??? Sollte Sydney tatsächlich für immer und ewig oder zumindest für die nächsten paar Jahre mein ganz persönliches Hinterstoder sein? Dazu später mehr.

Zu Mittag gibt es eine Pause in Strathalbyn, wo wir im Park einer Tourist Info unseren Seitentisch ausklappen und Grillhühnchen von Wooli gegenüber essen, ehe wir die letzten 90 Minuten auf dem Festland in Angriff nehmen. Wie gut, dass wir heute so viel früher als eigentlich geplant losgezogen sind, denn die Fahrtzeit inklusive Verfahren, schlechter und kurviger Strecke sowie seltsam dahinzuckelnder Autos ist wesentlich länger als geplant. So aber erreichen wir die Fahre ganz easy.

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Und als wir schließlich auf KI, wie man hier zu Kangaroo Island sagt, ankommen, bin ich aus sehr unerfindlichen Gründen total gerührt. Wir machen einen Stopp beim Pelican Feeding in Kingscote, das leider schon vorbei ist, doch die Pelikane sitzen noch alle da – mit vollgeschlagenen Wänsten – und blicken mit uns auf das sonnenbeschiene Meer. Wir checken kurz am Campingplatz in Kingscote ein, fahren dann aber noch schnell vor Sonnenuntergang zur Emu Bay.

Das ist so ziemlich das friedlichste Plätzchen Welt, das ich seit sehr langem gesehen habe. Ein Fischer, daneben ein Pelikan, der wie sein Schoßhündchen mit ihm kokettiert und sich Fischabfälle erhofft, Sonne, wintrigblauer Himmel. Diese absolut perfekten Momente sind ja nicht so häufig und deshalb so kostbar. Hinter dem Hügel geht die Sonne unter, über dem Meer der fast volle Mond auf. Ich schaukle auf dem Spielplatz neben dem Parkplatz und bin rundum zufrieden. Wir beschließen, anstatt am schattigen Campingplatz hier in der Abendsonne Nachtmahl zu essen, ja es gäbe sogar ein kostenlose Barbie dafür, doch das brauchen wir nicht. Die Heimfahrt schaffen wir noch vor Dunkelheit, was die Gefahr einer Roo-Kollision drastisch verringert. Das in Sydney erfundene Zahlenmerksystem für Zahlensindschallundrauch-Menschen wie mich funktioniert immer. Ich. Für die Dusche braucht man heute als Zutrittscode C wie Christmas, doppeltes Weihnachten, also 4812 und X wie Xmas – ganz einfach, endlich auch für mich.

Und plötzlich glaube ich auch, das Konzept Hinterstoder dekodiert zu haben – jenes Phänomen, demzufolge Menschen Jahr für Jahr für Jahr an denselben Ort fahren und selbst Vorderstoder schon als unangenehmes Ausbrechen aus der Comfort Zone empfinden. Je älter ich werde, desto mehr möchte ich das Gefühl von Zeit haben, wo sein, statt unterwegs zu sein, genießen, statt die Tage vollzustopfen. Wie gerne wäre ich an vielen der in den letzten beiden Reisewochen besuchten Orten geblieben, einfach nur herumspaziert oder gar nur gesessen, um in die Welt zu schauen und die Zeit Zeit sein zu lassen. Vielleicht ist genau dieser Wunsch der Grund dafür, dass so viele vor allem ältere Menschen an Hinterstoder-ähnliche Orte fahren, Jahr für Jahr. Weil sich für sie an diesen vertrauten und kleineren Orten die Zeit langsamer dreht und das Vollstopfen der Tage gar nicht möglich ist. Auch wenn Hinterstoder für jeden woanders liegen und für manche nur mit dem Flugzeug erreichbar sein mag – ich denke, ich habe mein Hinterstoder gefunden. Es hat viele Namen, aber die Koordinaten fangen alle mit S wie South an und „Howya mate?“ ist eine solide Grußformel, wo immer man in meinem Hinterstoder auf Menschen trifft.

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