On the road 2016: Go west oder: Immer der kalten Nase nach

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Sonntag, 20/03/2016 – Go west oder: Immer der kalten Nase nach

Sonntagmorgen in Warrnambool. Was sich gestern nicht nur wegen des großen Wooli-Supermarkts und dem netten, Lady Bay-nahen Campingplatz mit hübschem Foreshore Walk und dem frisch gewaschenen Schal gut angelassen hat, geht auch gut weiter.

Im der Früh hatte sich beim Sichten der verbleibenden Klamotten – der Tauglichkeitstest geht so: einer hält dem anderen ein T-Shirt unter die Nase und fragt „Geht das noch?“ Und wenn der andere sagt: „Mit verstopfter Nase schon“ darf es noch einen Tag getragen werden – die Erkenntnis, dass mir für den Heimflug nur mehr folgende Kombination bleibt: blaue Trekkinghose, oranges T-Shirt, türkiser Sweater, gelb -apricotfarbener Schal und knallgelbe Regenjacke (von Socken und Unterwäsche mal ganz zu schweigen) eingestellt. Während ich mir hier gar nichts dabei denken würde, überkommt mich beim Gedanken an diesen Kanarienauftritt am Flughafen Wien ein seltsames Gefühl. Wie gut, dass es in der Tourist Info von Warrnambool einen passenden Ersatz für die vier bereits entsorgten alten Lappen aus Wien gibt. Max gönnt sich – meine Nase war nicht ausreichend verstopft – gleich zwei neue Teile für den wetterbedingt bereits wieder erblassenden Oberkörperteint.

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Wir besuchen anschließend den Fresh Produce Market mit lauter köstlichen Kostproben und hübschen Kreativideen (genähte Wal-Kissen (eventuell ein Wunsch an das Christkind 2017?), moderne Makramee-Dekoampeln (ein Wunsch an mich selbst zum Auffrischen meiner einst großartigen Makrameefertigkeiten)) und fahren dann zum Tower Hill Reserve. Endlich wieder ein paar Emus und sogar zwei Koalas, die noch nicht mal nicht auf unserem Programm standen.

Eine weitere Überlegung bei Sichtung seltsamer Campingurlauber bzw. deren Zubehör: wir haben in diversen Urlauben ja schon viel gesehen – Personen, die mit Brotbackautomaten reisen, mit riesigen Strohwäschekörben, eigener großen Wäschespinne, Pizzabackofen, elektrischem Entsafter, Hundeklappbetten, 2-3 m2 großer Piratenflagge, großen orangen Verkehrshütchen zur Begrenzung des Stellplatzes, einem höhenverstellbaren Gymnastik-Steppbrett für den bequemen Ausstieg aus dem Wohnwagen und großen Käfigen für die reisefreudige Kanarienvogelfamile.

Neu ist das Reisen mit Körperwaage – eine sehr dicke Frau steht im rosa Plüschbademantel und Flipflops in den Waschräumen und klemmt sich, als ich reinkomme, schnell die Waage unter den Arm und hirscht hinaus. Was mich aber doch noch überraschen könnte: jemand, der sich täglich frische Milch gönnen möchte und mit hauseigener Kuh reist oder zumindest eine voll ausgestattete KitchenAid inklusive einer erklecklichen Auswahl an Backformen mitführt, ein seitlich ausfahrbares Gemüsebeet oder eine am Dach aufklappbare Badewanne mit Whirlfunktion und kleiner Viewing Platform zu bieten hat. Trivial, aber ebenfalls noch nicht gesichtet haben wir Damen mit Trockenhauben aus den 70ern, wohingegen Plüschhausschuhe auf dem Campingareal kein seltener Anblick sind, wobei diese dann gerne auf den selbst mitgebrachten Duschmatten abgestellt werden.

Wir fahren über den Ort mit dem entzückenden Namen Port Fairy, der auch so wieder sehr einladend aussieht, wie ich ihn in Erinnerung habe und wo wir bei Cobb’s Bakery zwei Mittags-Pies essen, weiter Richtung Westen und damit Richtung Kangaroo Island, Adelaide und Heimat. Die Zeit, die sich doch gerade erst mit weit ausgebreiteten Armen in einer ganz langsamen und anmutigen Pirouette gedreht hat, hat zwischenzeitlich unbemerkt die Arme angelegt, Tempo aufgenommen und dreht sich in einer wilden Pirouette, die sie und unbedarfte Zuseher wie uns ein bisschen in die Knie zwingt. Bleibt zu hoffen, dass die Punkterichter nur Höchstnoten zu vergeben haben und der Zeit bald wieder eine Verschnaufpause gönnen. Wo sind die Sydneytage hin, die Aufregung der ersten Reisetage, die unbändige Freude über das „Heimkehren“ nach Sydney?

Gestern abend haben wir unser altes Online-Blog aus dem Jahr 2008 gelesen, wo wir drei Wochen später im Jahr genau in dieser Gegend unterwegs waren. Wir lachen herzlich (Max) Tränen (ich) über die damaligen Blogeinträge***, können auf den Fotos aber auch nicht übersehen, dass die letzten acht Jahre nicht ganz spurlos an uns vorübergegangen sind. Und sind unglaublich dankbar, dass wir die Auszeit damals gewagt haben. Ich wäre zweifellos eine andere, wenn wir es nicht getan hätten und finde mich heute zweifellos weitaus sympathischer, nicht nur, weil ich gelernt habe, den lockeren Smalltalk über Gott und die Welt und das Wetter zu perfektionieren, wüste Kleidungskombis an mir als normal zu erachten, den Begriff „Frisur“ (nicht zuletzt dank der in Wien schwierigen, hier aber äußerst praktischen Naturlocke) als höchst abstraktes Konzept zu akzeptieren, zu wissen, dass bei der dringenden Suche eines WCs jedenfalls alte Damen und notfalls deren zugehörige Männer zurate zu ziehen sind, und Basteln auf kleinstem Raum beherrsche wie vermutlich kaum eine andere über 12 Jahren. Ebenfalls zur Erheiterung trägt am Abend auch meine neue Technik zur Erwärmung der immerkalten Schienbeine bei: Da meine Leggings auf 3/3-Länge geschrumpft ist und die Jogginghose (praktisch für WC-Besuche!) schon als 3/4-Hose zur Welt gekommen ist und sich meine Socken beim besten Willen nicht zu Kniestrümpfen mutieren lassen, bin ich dazu übergegangen, im Fahrzeug die Jogginghose jugendstilgerecht soweit unter der Taille zu tragen, dass sie die Beine gänzlich abdeckt, allerdings erst etwa auf Oberschenkelhöhe ansetzt, was einen wunderbaren Watschelgang zur Folge hat, vor allem dann, wenn man grad nicht daran denkt und spontan aufsteht und losgeht. Ich sehe mich nachts schon mit halb heruntergelassener Oberhose aus dem Fahrzeug stürzen 😉

Es wird ein Fahrtag heute, der hauptsächlich von Mail-Check-Pausen unterbrochen wird, denn durch das ungewollte Fahrzeug-Upgrade haben wir nun ein so großes Fahrzeug, dass die Fährfahrt nach Kangaroo Island extra in mehreren Mail-Verkehren arrangiert werden muss – und extra kostet, was uns wenig gefällt. So sehr wir den zusätzlichen Platz im Fahrzeug (Stichwort: eigenes Bücherregal, eigenes Badesachenfach, gut zugängliche Elektronik- und Bastelabteilung) schätzen, so  unhandlich ist das Ding aber auch, wenn es um Parkplatz und eben Fähren geht. Das integrierte Bad/WC haben wir zu einer Rumpelkammer für Stinkeschuhe, Schmutzwäsche und jederzeit zugreifbaren Aufbewahrungsort für Mäxchens Spielzeug in Form des gemischten Besen-Sets umfunktioniert, aber jedenfalls nicht zweckgemäß verwendet, ebenso wie den ungewollten DVD-Player, mit dem man nicht mal fernsehen kann.

In Mount Gambier ist wieder Zeit für eine Pause. Mails checken, Wasser für Fahrer und Beifahrerin nach vorne in die Fahrkabine holen, sich bei einem der vermutlich letzten Woolis an großer Supermarkt-Auswahl erfreuen und auf ein frisch gebackenes Muffin für den 14 Uhr-Zuckerschub hoffen – auch das ist Reisen. Es werden zwar nur Choc Chip Cookies, da die frischen Muffins schon aus sind, aber dafür wurde in der Zwischenzeit unsere Fährfahrt bestätigt.

Die vielen Überlegungen zum Tag sind der langen Fahrt geschuldet sowie dem weiterhin grauen und kalten Wetter, das den Fahrer zum „grumpy Max“ und die beste Beifahrerin zu „choc-addicted Andy“ machen. Aber der Tag hat auch etwas Gutes: durch den Grenzübertritt von Victoria nach South Australia gewinnen wir eine halbe Stunde. (Gibt es anderswo auch 30-minütige Zeitunterschiede?)

In Robe angelangt kommt dann tatsächlich eine Art windige Herbstsonne heraus, was uns zu einem Cachespaziergang durch den Ort veranlasst. Fast hätte ich „Stadtspaziergang“ geschrieben, doch a) ist dies keine Stadt, sondern bestenfalls ein Ort und b) ist dieser Ort am Sonntag um 16:45 Uhr maximal ausgestorben. Alle Tagsüberlokale haben schon zu (etwa fünf), alle Abendlokale (zwei) noch nicht offen. Nur der Bottleshop weiß Max beim Bierauswählen für die letzten paar Tage und mich beim Etikettenbesichtigen zu unterhalten. Schließlich ziehen wir zu Fuß mit einem Karton Bier und 1 Flasche Wein ab und erlegen damit den letzten Cache für heute. Krönender Abschluss des Tages wird ein „Hole in One“ Dinner – Spiegelei in Brotloch aufgeschlagen und gebraten – Anleitung anbei.

***) Auszug aus unserem Blog von Kangaroo Island, das wir morgen ansteuern, aus dem Jahr 2008, wo wir genau in dieser Gegend unterwegs waren:

F: Warum ist es gut, dass A. mit 16 Jahren immer mit dem Kopf durch die Wand wollte? (Okay, nicht nur, aber auch mit 16 J.)

A: Weil sie sich dadurch heute Morgen, als sie mit vollem Schwung mit der Stirn an eine Alu-Holz-Leiste im Camper angerannt ist (weil sie just mit dem Besen zu schwungvoll war, wie verwerflich!), dass es sie auf den Popsch gesetzt und sie sich die Schulter an der Sitzbank fast ausgekegelt hat, nur eine Riesenbeule geholt hat, aber sonst noch ganz ist! Als Max vom Duschen kommt, findet er mich demzufolge mit einer 1l-Flasche Milch und einer 0,5l-Flasche Cola am Kopf wimmernd im Auto vor – und das auch noch sehr schmutzig, weil ich den schwarzen Sand dieses Campingplatzes noch nicht rausgefegt hatte! Ich probiere alle paar Minuten Mäxchens Hut, um die Größe meiner wachsenden Beule auf der Stirn zu „vermessen“, doch solange mir sein Hut noch passt, ist kein Grund zur Sorge gegeben finde ich und stelle am Abend fest, dass eine Beule wie Botox wirkt – glättet Falten in Sekundenschnelle. Und dass es die Falten dabei auch bläut und grünt, muss man ja nicht dazu sagen…

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