99 Großstadtgefühle und ein müder Max

 

Eigentlich bin ich ja ein Großstadtkind. Ich liebe städtische Infrastruktur, ob in Form gut sortierter, wenn möglich lange geöffneter Supermärkte, Bäckereien,die frisches Brot in Dutzenden Varianten und Muffins aus diesem Jahrzehnt unter die Menschen bringen, und nette Läden auch, die ganz besonders. Ich liebe entzückende Lokale, wunderschöne Schaufenster, bunte Plakate und das rege Treiben, das all dies mit sich bringt. Schließlich bin ich mir dessen bewusst, dass Reisen auch bedeutet, die regionalen Wirtschaftssysteme ein wenig anzukurbeln. Auch wenn einem diese das wie gestern in Masterton, Carterton, Featherston und wie sie alle hießen, nicht gerade leicht, um nicht zu sagen unmöglich gemacht haben. Ehrlich: Es gibt Grenzen, was den guten Geschmack angeht.

Trotzdem ertappe ich mich bereits am Campingplatz von Wellington, 30 km außerhalb der Stadt dabei, wie ich befremdet meine Ohren spitze, wenn ungewohnte und ungewohnt penetrante Geräusche an sie herangetragen werden. Was ist das? Ein Flugzeugdröhnen vielleicht? Und das? Die Sirenen eines Einsatzfahrzeugs! Und dieses seltsame Bimmeln? Ach ja, Telefone dienen ja nicht nur als Minisuchmascinen und GPS-Geräte. Früher hat man diese Dinger sogar verwendet, um miteinander zu kommunizieren. In Großstädten gibt es sogar heute noch Menschen, die sich dieser simplen Funktionalität bewusst sind.

Entsprechend gespannt bin ich heute morgen, als wir unser Stadtbesichtigungprogramm beginnen. Wellington ist erwartungsgemäß überschaubar und schön. Wir fahren mit dem Cable Car hinauf in den botanischen Garten, spazieren dann hinunter in die Stadt, bummeln herum, pilgern durch den erstaunlich netten Underground Saturday Market, lümmeln an der Waterfront herum und sind müde. Heute ist Max an der Reihe: er hat seinen ersten Reisehänger und will nach Hause, wobei so etwas natürlich nicht ernst zu nehmen ist, wie ich aus Erfahrung weiß. Meinen Reisehänger hatte ich bereits in Brisbane, als mir das nasse Campen zum Hals raus hing und es mich sagenhaft anzipfte, mich für jeden WC-Besuch in den Regen zu werfen und zum Kochen in der Camp Kitchen immer den halben Camper oder zumindest alle Lebensmittel, Geschirr und ABwaschutensilien quer über den Campingplatz schleppen zu müssen. Bei Max ist es eher das Wohnambiente: Wenn einer schlafen will, muss sich der andere ebenfalls auf der Liegefläche herumtollen. So etwas wie einer arbeiten, einer schlafen geht einfach nicht – zumindest nicht IM Wohnmobil. Aber in ein paar Tagen geht es nach Perth, wo wir erst mal wieder drei Nächte in einem Apartment untergebracht sind. Aber die nächsten Tage heißt es erst noch mal: fahren, fahren, fahren. Und das ist dann auch schon eine Einstimmung auf die großen Entfernungen, die uns in Westaustralien erwarten werden.

Heute wird es nur eine kleine Route in Wellington, wobei insbesondere der Scenic Drive durch Shelly Bay bis zum More Point traumhaft ist. Links die Küste und das Meer, rechts entzückende moderne oder urige Häuschen und irgendwo mittendrin das seit unserem letzten Welli-Besuch übersiedelte Chocolate Fish Cafe, in dem einst die Darsteller vom Herrn der Ringe eingekehrt sind. Wir heben uns den Besuch im Cafe mit Riesengarten und bunten Bildern für morgen auf, heute wird erst mal wieder gegrillt: in der Asphaltwüste des Campingplatz kann ein wenig Lachsrosa nicht schaden!

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