99 Sanddünen und ein Happy End am einen Ende des anderen Endes der Welt

 

Russell erwacht bewölkt, aber fröhlich. Das gilt auch für die frechen Wekas, die zwar bei jedem Zuschlagen der Autotür zusammenzucken wie einst meine Babynichte beim leisesten Schnäuzen, sich aber gegenseitig bekreischen, wie es sonst nur Geschwister tun.

Mit der Fähre geht es zurück nach Paihia und einen Sprung nach und durch Kerikeri. (Die Stadt, naja, der Ort ist eine Enttäuschung – mit Ausnahme des Retro Stone House „Kemp House“, das ganz auf alter Kaufmannsladen getrimmte Retro-Artikel anbietet. Besonders der superalte Kühlschrank, der auch innen Waren feilbietet, gefällt mir – eine nachahmenswerte Idee. Wenn also wer einen wirklich hübschen, wirklich alten (wenn möglich hellblauen oder hellrosafarbenen) Kühlschrank abzugeben hat, bitte her damit!

Der Samstagsmarkt in Mangonui entpuppt sich als Reinfall im Festsaal (Kabäuschen wäre ein weitaus treffenderer Ausdruck) der örtlichen Library. So wenige, so altmodische Produkte wären nicht mal meiner Urururgroßmutter modern erschienen, denke ich. Doch Mangonui hat dann doch noch etwas zu bieten, und zwar den angeblich besten Fish & Chips Shop des Landes. Tatsächlich schmeckt alles superfrisch und ist dank Ausblick auf die Doubtless Bay gleich doppelt gut. (Angeblich hat eines von Captain Cook’s Crewmitgliedern in einem hellen Moment gesagt. „Doubtless a bay“, was den Namen dieser Bucht erklärt.) Die für den Nachmittag angedachten Strände Cable Bay und Coopers Beach können uns nicht wirklich begeistern, was aber hauptsächlich am noch recht bewölkten Himmel liegt.

Kurz entschlossen nutzen wir das bedeckte Wetter, um mal richtig Kilometer zu machen. Wir fahren nach Cape Reinga, wo wir – insbesondere Max – noch eine Rechnung offen haben. Denn bei unserem letzten Besuch hier vor knapp 10 Jahren war es hier eiskalt und stürmisch. Das Dokumentationsfoto, wie es unter anderem im Wohnzimmer von Max‘ Eltern zu bewundern ist, zeigt uns tief verpackt mit Trekkingjacken, Mütze, Kapuzen und Sonnenbrillen wie kurz vor dem Aufbruch zu einer Himalaya-Expedition – nur die Bedsocks, die ich mir damals als wärmendes Innenfutter, quasi als innenliegende Handschuhe, für meine Jacke gekauft hatte, sieht man auf dem Foto nicht. Und heute brauchen wir diese beim besten Willen nicht.

Bevor wir zum eigentlichen Kap, dem nördlichsten Punkt dieses Endes der Welt kommen, fahren wir noch zu den Riesensanddünen, die gerne zum „Dune Surfing“, zum Sandrodeln auf Surfboards, verwendet werden. Die Dünen sind teilweise sonnenbeleuchtet, teilweise erstrahlen die unzähligen Cabbage Trees und all die andere Vegetation, von der es hier ebenso reichlich gibt wie Kühe, Schafe und One Lane Bridges, einspurige Brücken, im herrlichsten Grün. Dann wieder glänzen die Dünenrücken wie bei einem Silberrücken im Gegenlicht. Die Schafe wirken, als ob sie von den Schäfchenwolken heruntergefallen wären – verstreut über das endlos weite Land wie nach dem Zufallsprinzip.

Nur über dem Kap selbst klebt hartnäckig eine schwarze Wolke. Dort, wo die Tasmanische See und der Pazifik aufeinandertreffen, kann sie sich scheinbar nicht entscheiden, über welche See sie sich ergießen möchte und hängt unentschlossen herum – und sorgt auch diesmal für kein strahlend weißes Leuchtturmfoto. Angesichts der Tatsache, dass rechts und links der großen, grauen Wolke aber alles recht blau ist und wir diesmal ohne Expeditionsausrüstung mit Shorts und T-Shirt das Auslangen finden, fällt der Besuch des Kaps aber eindeutig in die Kategorie „Eingelöste Schuld“.

Es ist mittlerweile 17 Uhr und wir fahren 100 km zurück zum nächsten Campingplatz und landen am Wagener Holiday Park in Pokonui. Es folgt das übliche Abendprogramm: Barbecue, Bloggen, Blauschen, äh Plauschen. Eine alte Neuseeländerin erzählt uns, dass sie schon mal in Austria war, spricht über Austria aber so, als ob es eine Stadt, eine ziemlich kleine Stadt wäre. Sie kann sich nämlich nicht mehr erinnern, wie der Park in Austria hieß mit dem berühmten Denkmal, das sie direkt vom Hotel aus besucht hat. Als wir gerade mit dem Abwaschen fertig sind, kehrt sie mit strahlendem Gesicht zurück: Innsbruck sagt sie, in Innsbruck gab es dieses Denkmal in einem Park….

 
 
 

 


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