99 Weihnachsservietten, die ich nicht gefunden habe

Es mag für manche befremdlich sein, aber zu Weihnachten ist mir ganz besonders an einem schön gedeckten Tisch gelegen. Heuer kann dieses Ansinnen an zwei Dingen scheitern: einem Tisch, der sich diese Bezeichnung auch verdient, und an den fehlenden Servietten, irgendwelchen schönen Servietten zumindest, wenn schon nicht weihnachtliche.

Da die zwei Holzteile im Apartment, die am ehesten als Tisch durchgehen könnten, als PC-Technik-Station bzw. kleines Tagebuchtischchen vereinnahmt wurden, bleibt nur die große Holztruhe über. Diese hat den großen Vorteil, dass sie direkt vor dem Fenster mit Meerblick steht. Man isst also – zwar mit gebeugtem Rücken, weil auf dem Bett sitzend – mit einem Million Dollar View, außer es regnet wie eben jetzt, aber wir hoffen, dass dieser Guss nur von kurzer Dauer ist.

Das mit den Servietten ist eine andere Sache – so wie die gesamte Weihnachtsdekolage hier eher prekär ist. Seit unserer Ankunft in Sydney halte ich routiniert aber erfolglos (wenn man von den zwei kleinen Schnabeltier-mit-Weihnachtsmütze-Anhängern absieht) Ausschau nach irgendetwas, das als Weihnachtsdeko taugen könnte. In den vergangenen Jahren in New York und Florida kam man gar nicht umhin, Unmengen von Kitsch und Wenigerkitsch der Marke "Weihnachtsstimmung" zu finden – und zu erwerben. Doch in Sydney ist das nicht der Fall, ja nicht einmal die Häuser sind wirklich geschmückt. Gelegentlich irgendwo ein kleiner Kranz auf einer Eingangstür, ein kleines „Merry Christmas“-Schild oder ein kleiner Santa auf einer Hauswand, aber eben nur sehr gelegentlich. Auch keine Christbaumverkaufsstände, keine Weihnachtskugeln bei jeder Kassa oder großformatige Rentiere. Hie und da ein einzelner Strandbesucher, der zur Short eine Weihnachtsmütze trägt, wobei hier und da auch schon die Gesamtanzahl von derlei Sichtungen widerspiegelt: genau 2 Stück.

Während das Last Minute Shopping durchaus angesagt zu sein scheint (am Freitag zur Lunch Hour war das Geschäftsviertel von Sydney ein wahrer Wahnsinn und die Schlangen in den Läden so lange, dass wir unverrichteter Dinge wieder abgezogen sind), gilt das eben scheinbar nicht für die Deko. Haben die das alles schon im November gekauft? Das wäre nicht auszuschließen, da mir eine Neuseeländerin einmal erzählt hat, dass sie ihren Weihnachtsbaum immer schon 4 Wochen vor Weihnachten schmücken. Vielleicht gilt das auch für Australien. Vielleicht wurde bereits mit Ende November alles aufgekauft, was irgendwie an Weihnachten erinnert. Ganz glauben kann ich das nicht, denn es fehlen entsprechend leere Weihnachtsregale. Nur bei TARGET, dem riesigen Kaufhaus, haben wir zwei eigene, wenn auch bereits stark dezimierte Weihnachtsregale entdeckt – zwei Regale auf einen Laden der Größe unserer Shopping City wohlgemerkt. Dafür aber bekomme ich bei der Post die allerschönsten Briefmarken, die ich jemals gesehen habe: Christmas Island mit einem Santa und einem mit Krabben geschmückten Weihnachtsbaum!

Bei den Servietten fehlt mir endgültig das Verständnis. Überhaupt werden Servietten kaum im Handel angeboten, wenn dann in Riesenpackungen und in schlichtem Weiß. Zwei gemusterte Designs konnte ich bislang entdecken, schlicht und hässlich träfe es sehr gut. Von tollen Weihnachtsmotiven keine Spur. Auch das ein krasser Gegensatz zu Florida, wo ich bei jedem Supermarktbesuch ein weiteres Set Servietten eines neuen, witzigen, schicken Designs hätte kaufen können – und damit mindestens für ein ganzes Jahr ausgesorgt gehabt hätte.

Dieser 24. Dezember ist einfach in jeder Hinsicht anders als alles bisher Gehabte. Wir bummeln durch die Stadt, die heute relativ menschenleer ist, weil keiner mehr arbeitet (schließlich kommt heute Nacht Santa und bleibt hoffentlich nicht im Rauchfang stecken), kaufen uns zum Picknick im Hyde Park ein Grillhähnchen mit Salat, suchen erfolglos einen Geocache, spazieren durch die traumhaften Royal Botanic Gardens mit Blick auf Skyline und Sydney Harbour, erwerben (also ich) den größten Aussie-Kitsch aller Zeiten, auf den ich aber sehr stolz bin (Babuschka-Püppchens aus Holz in Form von Koalas mit entzückenden Motiven), fahren Fähre und freuen uns über strahlend blauen Himmel. Dass es gegen Abend hin wieder zuzieht, ist uns egal. Meine Vorfreude auf den mittlerweile erklecklichen Geschenkestapel (zugegebenermaßen einiges von mir und für mich) ist ebenso groß wie die Spannung, ob wir unser Weihnachtsmenü einigermaßen lecker hinbekommen. Dass es jetzt regnet, macht auch nichts, denn aus dem geplanten Mitternachtsschwimmen wäre ohnehin nichts geworden – ich bin zwar schon sehr akklimatisiert, gehe nur mehr in Shorts und ohne Schal vor dem Zug im Bus aus dem Haus – aber in das eiskalte pazifische Meer schaffe ich es sicher nicht so schnell, auch wenn ich es mir jeden Tag aufs Neue vornehme.

Wir wünschen Euch jedenfalls allen ein wunderbares Weihnachtsfest und denken an Euch! Alles Liebe aus Sydney, Andrea & Max

 
Eine der wenigen Weihnachtsdekos in der Stadt
 

Das Weihnachtsmenü 2012:

– Gebackener Ziegenbrie mit eingebackenen Knoblauchzehen und Kirsch-Salsa, dazu würden pikante Biscotti aus einem Paprika-Parmesan-Haselnuss-Teig mit Meersalz gehören (leider aus küchentechnischen Gründen nicht umsetzbar), die man sich anstelle der Kartoffelchips vorstellen muss
– Lime Chicken mit Avocado-Tomaten-Salsa
– Limetten-Mango-Trifle mit Limettensirup und Baisers (letztere aus küchentechnischen Gründen leider nicht selbst gemacht), man denke sich anstelle des Basilikumblatts bitte ein Minzblättchen hin

(Vorher-Nachher-Aufnahme und Bestätigung dafür, wie lecker diese Vorspeise war)
 
(Die Hauptspeise, das Lime Chicken mit Avocado-Tomaten-Salsa, die leider im verfügbaren Geschirr nicht besonders gut zur Geltung kommt, dafür aber ausgezeichnet geschmeckt hat)
 
(Unser Ess"tisch" hier nur mit angedeuteter Million Dollar View, dafür mit integrierter Bibliothek sowie mit der nagelneuen Deko.)
 
(Das Limetten-Mango-Trifle, wie gesagt, bitte anstelle des Basilikums ein Minzblättchen vorstellen, herrlich fruchtig, übrigens!)

 


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