Die unbestrittene Nummer 3 in meinem Leben

3 Tage Hamburg bekräftigen, was sich schon seit einiger Zeit abzeichnete: Hamburg ist mene unumstrittene Nummer 1 in Europa, und die unumstrittene Nummer 3 weltweit, fast unmittelbar hinter Sydney und New York.

Weitere Erkenntnisse und Geständnisse:

1) Ich bin bekennender Markt-Junkie. Damit meine ich allerdings keine Märkte, auf denen neur Ramsch als alter Trödel ausgegeben wird, um den Preis höher ansetzen zu können. Ich meine "neighbourhood markets" jeder Art, also Märkte, die in erster Linie für die Versorgung der Anrainer ins Leben gerufen wurden- Budenanordnungen mit Vielfalt und Flair, die vor allem zwei Kriterien erfüllen: überwiegend lokale Anbieter und ebensolche Interessenten, sprich: die Touristen müssen gegenüber den Einheimischen in der absoluten Minderheit sein. So ist es nicht verwunderlich, dass der dienstags und freitags bis 14 Uhr stattfindende Isemarkt auf der Hamburger Isestraße der Shooting Star in den Top 10 meiner Lieblingsmärkte ist. Man trifft es mit den Märkten ja nicht immer so gut. Manchmal sind sie zu leer, manchmal zu laut, manchmal zu aufdringlich, manchmal zu unscheinbar, manchmal zu heiß, zu kalt – aber dieser hier, ja dieser war perfekt. Aber vielleicht lag es auch ein ganz klein wenig an meiner unbändigen Reiselaune…

Meine weiteren Top-Märkte: Hamburger Marktkultur in Ottensen, New Yorker Chelsea Market, Eumundi Market in Noosa, Australien (wo ich die Touristenregel gerne etwas lockerer sehe), Santa Monica Farmer's Market (Kalifornien), Londoner Markt nahe dem London Eye, Venedigs frühmorgendlicher Fisch- und Gemüsemarkt direkt am Wasser und natürlich die schwimmenden Märkte Bangkoks!

Dazu kommen an diesem Wochenende noch ganze drei Spezialmärkte: der Holland Stoffmarkt am Alsterdorfer Markt, der mich in seiner Fülle, Vielfalt und Drängerei heillos überfordert, der überschaubare aber nette Der.Die.Sein.Markt im Unilever-Haus in der Hafencity und der bunte Hello Handmade-Markt am Kampnagel. Aber das sind ja eher die inspirierenden Märkte, die nicht unbedingt die tägliche Nahversorgung sicherstellen, insbesondere da sie nur 1-2 x jährlich stattfinden. Sie kommen daher für obiges Rating nicht in Frage. Glücklicherweise.

2) Traue keinen älteren Damen, deren Antworten auf "Wie gehts nach?"-Fragen mehr als 2 "vielleichts" und mehr als 2 "sicherheitshalbers" beinhalten. Sie haben keine Ahnung, wollen aber so gerne mächtig helfen. Was sie dem ohnehin schon fußmaroden Fußvolk zumuten, könnten und sollten sie an ihren eigenen Hühneraugen ermessen anstatt auch andernorts, etwa in meinen ohnehin schon citykompatiblen Trekking-Schuhen, eine ähnliche Zucht von Kükenaugen zu begründen.

3) Traue keinen Busfahrern, deren Antworten auf obige "Wie gehts nach"-Fragen mehr als 2 "Kreisels" beinhalten. Was sie meinen, sind Kreisel – Kreisverkehre, die schnurstracks auf Bundesstraße oder Autobahn führen, und die sind normalerweise für das ohnehin schon hühnerbeäugte Fußvolk nur minder tauglich.

4) Traue keinen jungen Frauen mit forschem Schritt und windigem Hund – sie könnten es ernst meinen, wenn sie nach dem Weg gefragt sagen: "LaufenSe einfach hinter mir her, dann kommenSe schon hin." Und fort war sie. Hätte ihr Hund keine akute Blasenschwäche gehabt, die ihn (und sie) alle paar Meter nötigte, kurz für ein paar Markierarbeiten innezuhalten, wäre ich nie oer nur unter höchster Anstrengung ans Ziel gekommen oder, noch schlimmer, hätte mich – siehe oben – wieder an ältere Damen und Busfahrer wenden müssen.

5) Ich liebe Obstkörbe. Und alles, was man daraus machen kann, also auch Himbeer-Macarons oder Orangen-Schoko-Pralinen. Erstere insbesondere und eigentlich nur dann, wenn sie vor meinen Augen frühmorgens am Fischmarkt von St Pauli gepackt und um lächerliche 10 EUR verkauft werden. Neuerdings werden dafür auch schicke, bunte Körbe unters Volk gebracht und ich habe es sehr bereut, nicht doch 1 Woche Hamburg gebucht zu haben, denn dann hätte ich mir einen lila-rosa-weiß geflochtenen Plastikkorb mit den herrlichsten Vitaminen gekauft und das Mega-Fischpaket um 20 EUR auch gleich dazu. Und eine von diesen Riesenpalmen-Sets, die man die Leute dann zuhauf zur U-Bahn schleppen sah. Eine Frage aber drängt sich auf und ist noch ungelöst: Nach Andrea Riese hat man dann nach 52 Wochen also 52 Körbe rumstehen. Was nun? Einen eigenen Korbverkaufsladen eröffnen? Oder einen eigenen Ratgeber herausgeben, wofür man in einer Wohnung 52 Körbe verwenden könnte? Ich arbeite an einer Lösung für dieses monumentale Hamburg-Dilemma…

6) Ich liebe Morgenstimmungen. Und Abendstimmungen. Besonders am Meer. Oder Hafen. Oder einem See. Oder über den Wolken. Manchmal auch in Ottensen, zum Beispiel am Weg zur Marktkultur.

7) Auch, wer es gerne lustig hat, ist in Hamburg gut aufgehoben. Zumindest wenn er/sie ein ähnlich schlichtes Gemüt hat wie ich und bei jedem Anblick der Ortsbezeichnung "Schlump" lauthals zu lachen beginnen könnte. Und ein Hotel gebucht hat, zu dem er prinzipiell Richtung Schlump fahren muss.

Aber vielleicht bin ich, einmal mit dem heiß geliebten, viel zu selten ausgepackten Reisegesicht ausgestattet, auch einfach nur besonders anfällig für Heiterkeiten jeder Art.

8 ) Überhaupt ist das Reisen mit mir sehr unterhaltsam. Aus dem zuhause gründlich und dringend geplanten optionalen Tagesablauf (optional, weil er für meine Wunschliste mindestens 53 Stunden haben müsste und ich über weniger gehanfälliges Gebein verfügen müsste, dringend, weil in Ermangelung fast jeder Orientierung lebensnotwendig) wird mit jeder Stunde eine bessere Mindmap. Neue Erkenntnisse kommen dazu, kleine Merkhilfen und Abkürzungen, Symbole und Unterstreichungen, die ich bald nicht mehr zuordnen kann und so ein lebendiges Planungs-Protokollierungs-Tagebuch darstellen und wohl bei genauerer Studie ziemliche Einblicke in mein Seelenleben gewähren.

9) Beim Versuch, sich in den lokalen Dialekt einzuhören, kann es zu lehrreichen Begegnungen kommen. In der U-Bahn sitzt eine Mutter mit einem kleinen Buben. Das Kind schafft es problemlos und ohne großes Zielen, gleichzeitig den Daumen in den Mund und den Zeigefinger in seiner gesamten Länge in das rechte Nasenloch zu schieben. Während ich darauf lauere, dass es einen weiteren FInger ins linke Nasenloch schiebt, überrascht es mich anderweitig. Der Bub vermag es nämlich, gleichzeitig zu sprechen. Als der Zug in eine Station einfährt, sagt das Kind: "Au, Geige". Ein so kleines Kind, dem das Wort "Geige" geläufig ist, wow! Und überhaupt: dass das Sprachzentrum bei einer derartigen Blockade der Atemwege funktioniert! Doch die Krönung ist die Mutter, die die klugen Worte ihres Kindes versteht und selbstverständlich darauf antwortet: "Nein, wir steigen noch nicht aus." Dabei hätte ich mich sehr zerwutzelt, wenn sie gesagt hätte: "Nein, wir geigen noch nicht auf."

10) Hamburger Romantiker sind auch nicht anders als anderswo. Auf einer Brücke zur Fleetinsel beobachte ich Pärchen, die Hand in Hand die vielen bunten, handbemalten Schlösser bewundern, die andere verliebte Pärchen als Zeichen ihrer Liebe an dem Brückengeländer festgekettet haben. Die Frauen auf der Brücke sagen dabei mehr oder weniger unisono, wenn auch völlig unabhängig voneinander, Dinge wie: "Oh, wie süß!", "Schau, die haben die Schlösser handsigniert/handbemalt!", "Schau, die haben sogar 2/5/9 Schlösser hergehängt!" oder "Wäre das nicht auch was für uns?" und sehen ihre Partner verliebt an. Die Männer hingegen, unisono und unabhängig voneinander, ergehen sich in Antworten wie: "Wo die wohl diese Schlösser herhaben?", "Die kann ja jeder aufbrechen!" oder "Was das kostet – 2/5/9 Schlösser – was man um dieses Geld kaufen könnte!", während sie den Kopf schütteln und/oder mit den Achseln zucken. Das ist der Punkt, an dem ich weitergehe. Aber irgendwie hätte ich doch gerne gewusst, was sie um dieses Geld gekauft hätten.

11) In Hamburg ist man zuvorkommend, wenn auch nicht immer geschäftstüchtig. "Ich sage Ihnen der Ordnung halben, dass Ihre Bestellung (1 Coca Cola, weder ein Heißgetränk noch womöglich eine Speise) eine halbe Stunde dauern wird!" Es wäre sehr nett gewesen, im Chilli Club am Sandtorkai in der wunderbaren Hafencity, die ich ich erstmals besuche, direkt am Wasser mit Blick auf abendsonnenbeschienen moderne Architektur zu sitzen, aber der Kellner ist korrekt – oder arbeitsscheu und wir ziehen weiter in die Kaffeerösterei. Diese ist dafür besonders gemütlich und authentisch – wie immer ein guter Tipp meiner lieben Freundin Chrissi!

12) Wenn ich ein Hund wäre, würde ich mir den Fressnapf von Riviera Maison wünschen. Als Mensch neige ich zu den wunderbaren Christmas-Körben, die man, siehe Punkt 5, herrlich mit rotbackigen Äpfel füllen kann. Oder mit Schokolade. Wie man eben will. Am besten mit so einem Häuschen drumherum wie in der Hafencity. Balkon, Grünzeugs und Blick aufs Wasser. Mehr bräuchte es gar nicht – außer dem Lotto-Zwölfer. Und falls hier nichts mehr frei sein sollte, dann nehme ich eben doch ein Häuschen ich in der Isestraße. Dann bleibt vielleicht ein kleines Budget für die vierte Etage im Alsterhaus. Dort gibt es nämlich den Kulinarikbereich, der großräumig von den süßen Köstlichkeiten und hübschen Dekoartikeln, Geschenkanhängern, Teekannenwärmern, Schürzen und vielen anderen Dingen, die man unbedingt anfassen wenn nicht haben muss, von Oschätzchen inklusive Kostproben des dänischen Glücksherstellers Summerbird belegt ist. Die Floddebolle Grand Cru White Mini – Schaumküsse mit Maracujacreme, Marzipanboden und weißer Schokolade – sind echt der Hammer! Aber auch die mit Himbeeretwas überzogenen Mandeln sind, siehe Punkt 5, ausgezeichnet.

13) Ich liebe Street Photography. Und Hamburg ist dafür ein perfektes Terrain. Und ich trauere ein klein wenig, um den zu dieser Jahreszeit bereits geschlossenen Strand Pauli, wo ich im Sommer so gerne meine Zehen in den warmen Sand, einen Strohhalm in die Caipi und meine Nase in die Sonne stecke.

14) Jetzt war ich schon so oft in Hamburg und entdecke mit einer riesigen Freude immer wieder Neues. Oschätzchen, das Alsterhaus, die Kaffeerösterei, Meßmer Momentum, Hafencity, Isemarkt , Marktkultur, Place mit entzückenden Hamburg-Kettchen und -Brettchen, Frau Tulpe und Charlottas mit ihren Stoffen und Nähaccessoires und sogar ganze Viertel erobere ich mir ansatzweise: Eppendorf, Ottensen und Karolinen- sowie Schanzenviertel finde ich auf dem Stadtplan schon fast blind. Die neuen Highlights sind natürlich nicht unbedingt in dieser Reihenfolge zu werten und alles andere als vollständig. Aber das wird sich demnächst in der Abteilung mit den Reisetipps für Hamburg ändern…

15) Jetzt war ich schon so oft in Hamburg und fahre doch jedes Mal wieder mit einer Liste von Aktivitäten und Läden und Lokalen heim, die sich wieder mal nicht ausgegangen sind oder die ich erst in letzter Minute entdeckt habe, etwa im PRINZ Stadtmagazin 2012 auf der Fahrt zum Flughafen. Diesmal auf der Liste für 2012: Die Tarterie für "eine gute Tarte pro Tag", "Liebes Bisschen", "Gretchens Villa", "Herr Max", "Seasons Coffee & Living" ein Afternoon Tea im 4 Jahreszeiten oder doch bei Meßmer Momentum im Freien direkt in der Hafencity, eine Ballonfahrt im High-Flyer und ein paar sonstige Cafés, wie etwa das skandinavisch angehauchte Karlsons nahe Wexstraße oder das zum Museum der Photographie gehörige Café, die Wohngeschwister und Adele & Clodwig.

16) Es geht doch nichts über ein Privatkonzert der Größen des Rock & Pop. Im eigenen kleinen Hotelzimmer wohlgemerkt. Denn am Tag vor meiner Abreise, also genau genommen am Abend, zappe ich so durch die Kanäle und bleibe bei einer Aufzeichnung eines Live-Konzerts hängen. The 25th Anniversary der Rock & Roll Hall of Fame wird übertragen. Und was mit sanftem Jazz beginnt geht bald über Pop in unterschiedlichsten Duetten und Mehrpersonenkonstellationen zu Rock über. Bald kann ich nebenbei nicht mehr blättern, tippen, recherchieren. Ich sitze gebannt und bald auch verspannt vor dem Fernseher. In dem kleinen Zimmer wirkt es, als sängen sie alle nur für mich. Pretty woman, Bridge over troubled water, People get ready – jaja, ich bin bereit! Und ich komme wieder, Hamburg!


Kommentare

Die unbestrittene Nummer 3 in meinem Leben — 2 Kommentare

  1. Dann musste halt nächstes Mal wieder mit, honey 😉 Wollte dir nur beweisen, dass ich auch beim Alleinereisen weder verloren noch angesichts zu vieler Schlepptüten und -koffer eingehe. Aber da ich das jetzt eindrucksvoll bewiesen habe, freue ich mich wieder sehr über und auf sherpa-technische Begleitung!

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