Regen auf Rügen, der leiseste

In der Früh wachen wir zum leisesten Regen auf, den ich je gehört habe – was so gesagt natürlich ein Widerspruch in sich ist. Denn gehört haben wir ihn eigentlich nicht. Lautlos fallen die Regentropfen auf der Wasseroberfläche übereinander her wie glückvolle Fußballer nach dem Elfmeter. Haltlos verdrängen sie sich gegenseitig, hüpfen ein wenig auf und ab, ehe sie genauso sang- und klanglos in der Untiefe der Ostsee verschwinden, wie sie gekommen sind.

Angesichts des grauen und nassen Wetters beschließen wir, heute keine Radtour zu machen, sondern die UNESCO-Welterbestadt Stralsund zu besichtigen. Und die ist wirklich schön: bei unserer Ankunft schon trocken, toll am Wasser gelegen, mit netten Flaniergässchen und wunderschönen alten Häusern und später dann sogar Cafés in der Sonne. Bei der Fahrt nach Stralsund stellen wir fest,dass hier nicht nur die Ortsnamen interessant sind (ich sag nur Stubbenkammer, Dummertevitz, Rattelvitz oder Varbelvitz), auch viele Dienstleister haben durchaus sprechende Namen: Bauunternehmen Holz, Baureparatur Flicke, Landschlachterei Schade. Letztere führt auch gleich dazu, dass ich gleich die nächste Mahlzeit vegetarisch gestalte.

Weitere Fragen tun sich auf, wenn wir morgens und abends von Schwalben umzingelt sind, die Möwen morgens kreischend die Sonne begrüßen und ansehnliche Spinnen (am besten von innen betrachtet) auf den Bullaugen unseres Wohnzimmerfensters sitzen. Wo sind die Spinnen untertags? Wo die Schwalben? Wo schlafen die Möwen?

Der Grund für die heutige Zeitverzögerung bei der Fortbewegung mit dem Auto: der Alleenschneider, ein Lastwagen mit Hebebühne, der die tiefsten Äste absägt, damit die LKWs problemlos durch die irre langen Alleestraßen kommen.

Ein Phänomen auch das so genannte Minutenloch auf einer Kirchturmuhr in Stralsund: die Arbeiter hatten sich vertan und der ersten halben Stunde 31 Minuten verpasst, so dass die zweite Hälfte jeder Stunde notgedrungen mit nur 29 Minuten auskommen musste. Doch bis dieser Fehler überhaupt entdeckt wurde, dauerte es viele Jahre.

In den Läden lugen bereits überall Elche und Weihnachtsmützen aus dem Sortiment, als Lebkuchen, Kekse oder andere Versuchung verkleidet. Auf der Stralsund-Brücke setzt angesichts dieser emotionalen Verwirrung bei mir dann die volle Paranoia ein, denn während wir hinter einem mit baumartigen Grünzeug beladenen Auto herzuckeln, höre ich schon Chris Rea singen, denn ich habe die akute Vision, hinter einem "Driving home for Christmas"-Truck herzufahren. Ich verdattere und verdonnere den Advent und alles Weihnachtliche, das sogar Halloween schon um fast 2 Monate überrundet hat und überlege ernsthaft, alle Läden zu boykottieren und mit meiner Abwesenheit zu strafen, die bereits Anfang September mit Elchen, Lebkuchen und ähnlichem Furore machen wollen. Nun, das war, bevor wir im Ozeanum-Shop von Stralsund einen Adventkalender in Leuchtturmform anheimgefallen sind, den wir (okay, ich) unbedingt haben mussten.

Gegen 17 Uhr kehren wir bei mittlerweile blauem Himmel heim und ich beschließe, das schöne Abendlicht noch für eine Radspritztour zu nutzen. Die zugegebenermaßen sehr kleine Runde hat es aber in sich, und damit meine ich nicht die schönen Fotomotive in der weißen Stadt Putbus, sondern deren Lage: 4 unerbittlich steile Kilometer bis zum Circus-Platz von Putbus lassen die Oberschenkel aufstöhnen, belohnen dann aber mit einer Heimfahrt, bei der ich ohne jeglichen Pedaltritt auskomme!

 Gestriger Sonnenschein:

Spinnen vor unserem Wohnzimmerbullauge sowie Schwalbendemo vor unserer Terrasse:
Der leiseste Regen der Welt und eine davon unbeeindruckte immerhungrige Hausente:
Putbus, die weiße Stadt:
Eine der deutschen Alleenstraßen mit zugehörigem Alleenschneider und Verkehrshindernis:
 
Theater von Putbus und Gorch Fock in Stralsund:
Stralsünder Impressionen:
Putbus, die weiße Stadt:
Driving home for Christmas-Attacke und unverzichtbarer Adventkalender-Leuchtturm:

 


Kommentare

Regen auf Rügen, der leiseste — Ein Kommentar

  1. schöne Fotos – Stralsund ist wirklich schön! Ich finde ihr habt echt Wetterglück bis her gehabt. Stehen bei euch in Wien nicht auch schon Lebkuchen in den Regalen? Hier geht es doch Ende August los 🙂 Aber ich beherrsche mich, backe lieber selber. LG und weiterhin schönen Urlaub, 

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