Das stellte ich auch heute wieder fest, als wir bei erneuten 34 Grad die Stadt unsicher machten. Unsicher ist dabei allerdings in vielerlei Hinsicht ein gutes Stichwort: denn für die Füße sind die Flipflops ebenso gewöhnungsbedürftig wie für die Haut die Sonne. Nicht, dass ich auf die Idee käme, die Stadt der sieben Hügel (irgendwer muss sich da allerdings sehr stark verzählt haben!) auf Flipflops in Angriff zu nehmen, aber zumindest der Weg zum Frühstück sollte doch drinnen sein. Dachte ich, bevor ich die wenigen Berührungsstellen als unangenehme Druckstellen identizieren musste. Überhaupt zeigt sich der Körper sehr befremdet ob der für ihn absurden Temperaturen (Wien-Lissabon war immerhin ein Sprung um 24 Grad); mit einer Flüssigkeitszufuhr von weniger als 4 Litern geht dieser Tage gar nichts, und auch das Schwitzen kennt der Ärmste nur mehr vom Sport. Klimaanlagen hält er erschrocken für die 15. Rückkehr der letzten Winterfront, und die Sonnenbrille für eine höchst unnötige Erfindung.
An andere Annehmlichkeiten des Sommers, wie etwa herrliche Mandarinen-Eiscreme, gewöhnt er sich da weit schneller – also ist die Anpassungsfähigkeit in den wirklich wichtigen Lebensbereichen über den langen Winter doch nicht ganz verloren gegangen.
Weitere Erkenntnisse des Tages:
– Am Morgen ist die Praca do Comercio noch in Ordnung, denn dann kann man sie – bei gut verträglichen 24 Grad durchqueren – während sie gen Mittag eher an das Abenteuer "Gehen-immerschnellergehen-laufen-im-brennheißen-Sand" erinnert und nur mehr von Mutigen überquert wird.
– Der in der gesamten Stadt häufige Begriff "Bento" bezeichnet hier nicht eine überbordende Liebe für die japanische Küche und deren köstliche Bento-Boxen bestehend aus allerlei Essbarem, sondern vielmehr den kürzlich erfolgten Besuch des Papstes, der hier unter dem "Künstlernamen" Bento aufgetreten ist.
– Die etwas seltsam anmutenden Abkürzungen für die Wochentage, wie etwa Qua und Qui, haben nichts mit den hiesigen Namen, wie Montag oder Donnerstag gemeinsam, sondern sind die Abkürzung für "quarto" und "quinto", was soviel heißt wie "vierter" und "fünfter", denn hier haben nur Samstag und Sonntag richtige Namen, von Montag bis Freitag heißen die Tage "zweiter" bis "sechster", wobei sich die Abkürzung für den Freitag "SEX" für unsereins gleich doppelt seltsam ausnimmt und eher an eine Kalendereintragung als einen Kalenderbegriff erinnert.
– Wenn es hier morgens um 6 Uhr noch düster und grau draußen ist, hat das nichts mit einer Schlechtwetterfront zu tun, sondern einfach damit, dass hier die Sonne erst gegen halb 7 aufgeht, wodurch jede Beunruhigung unnötig ist.
– Die hier so typischen, weil (einst) wunderhübsch verfliesten Häuserfassaden haben eine Art Selbstheilungsmechanismen entwickelt, der insbesondere bei grüner Verfliesung sehr gut funktioniert. Abgefallene Fliesen, die hier keine Seltenheit sind, werden im Lauf der Jahre durch einen im Farbton sehr ähnlichen und auch in der Dicke nicht unähnlichen Schimmelpilz mehr oder weniger würdig ersetzt. Auf den ersten Blick sieht man oft gar nicht, dass hie und da eine Fliese einer mittleren Pilzkultur gewichen ist. Da hilft es natürlich auch, dass es scheinbar sehr geschickte Hausfassadenverflieser gibt oder gegeben hat, das Handwerk des HFFP (Hausfassadenfliesenputzers) sich anscheinend aber nicht durchgesetzt hat. (Dafür aber sind die Straßen oft durch hübsche Wellenmuster mit verschiedenfärbigen Kopfsteinpflastern verziert, zu deren Erhalt eine eigene Fachschule ins Leben gerufen wurde.) Und wenn die naturgegebene Vegetation, die an manchen Stellen die Hauswand zwischen den Fliesen erobert, Rückschlüsse auf die Feuchtigkeit der Wände zulässt, verheißt das den Ärzten hier wohl reichlich Klientel.
– Es gibt mit Lissabon zumindest eine Stadt auf der Welt mit einem Park, der mit Orangenbäumen, Olivenbäumen, Lignano-Bäumen (riechen tannenfichtenartig nach italienischen Kindheitserinnerungen ohne genauere botanische Zuordnungsmöglichkeit) und Palmen gestaltet wurde! Diesen Anblick genießt man am besten von einer Parkbank aus, auf die man sich mit einer kleinen Köstlichkeit (siehe nächster Punkt) fallen hat lassen.
– Die berühmten "pastéis de Belém", auch Portuguese custard tarts, genannt, Blätterteiggebäck mit knuspriger Hülle und noch warmer Vanillecremefüle, sind in Belém, einem kleinen Vorort, wirklich besonders köstlich. Die Schlange, die auf die laufend frisch gebackenen Köstlichkeiten wartet, spricht Bände.
– A propos Bände und sprechen: Touristengruppen mit mehr als 4 Personen sind auch in Lissabon sehr störend, tragen aber auch hier zur Unterhaltung bei.
– Eines der Wahrzeichen der Stadt ist eine Brücke, die wohl nach denselben Entwürfen wie die Golden Gate Bridge gebaut wurde – welche Brücke zuerst da war, weiß ich allerdings nicht. Wichtiger Unterschied: das Palmenambietne, mit dem San Francisco nicht aufwarten kann. Und die Vielzahl an Lokalen fast unter der Brücke, in denen man mit Blick auf selbige (und unter deren Lärm) an einem Hafen am Tejo sehr gut lunchen kann.