Ich gebs zu, ich hab mit vielem gerechnet, aber damit nicht. Dabei hätte ich es ja schon im Flugzeug ahnen können, als sich das Reisegesicht, das sich normalerweise 5 Minuten nach dem Abschied breit zu machen beginnt, nicht und nicht zeigen wollte. Und das lag weder an der logorrhoetischen Sitznachbarin auf der ersten Flugstrecke nach Dubai noch an der dicht bepackten Maschine nach Sydney, nicht nur an der mit 29 Grad um 7 Uhr morgens zwar schon durchaus hochsommerlichen, aber sehr bewölkten und regnerischen Stadt – meiner aus heutiger Sicht befremdlichen Traumstadt. Den Ausschlag für dieses Gefühl, mit dem ich nicht so recht umzugehen weiß, gab vielmehr das Apartment in Bondi Beach, auf das ich mich so gefreut hatte – wenn auch angesichts der bevorstehenden WG – mit etwas Vorbehalt. Es begann damit, dass ich den Apartmentschlüssel auch mit Hilfe mehrerer Wohnparteien nicht aus der Safebox bekam, die Vermieterin aber bis Dienstag nicht in der Stadt ist. Glück im Unglück war, dass die Vormieter noch da waren, die mir schließlich, nachdem sie aber noch in aller Ruhe frühstücken gegangen waren, ihren Schlüssel überreichten. Diese sinnlose Wartezeit auf ihre Rückkehr und damit auf den Schlüssel verbrachte ich damit, den chaotischen Zustand des Apartments festzustellen.
Liebevoll drapiert und dekoriert war einmal – auf den airbnb-Fotos. Ich fand ein lieblos gemachtes Bett ohne Handtücher in einem Zimmer vor, das nicht dem auf den Fotos entsprach. Die Handtücher, die ich in einem Schrank fand, waren durchmischt mit Leintüchern nichts als 5 Regale bunter zusammengeknüllter Saustall, mein Zimmer sehr einfach, um es mal schön zu formulieren. Das Wohnzimmer mit ausrangierten Möbeln zusammengewürfelt, die Terrasse viel kleiner als auf den Fotos und ich: verzweifelt. Am liebsten hätte ich mich in eine Ecke gesetzt und in aller Ruhe geweint. Das nennt man dann, glaube ich, Heimweh. Und wie immer, wenn ich mich in einer fremden Stadt nicht wohlfühle und alleine unterwegs bin, zog ich herum. Die Tatsache, dass ich seit Monaten keine Flipflops mehr getragen habe, bescherte mir rasch ziemliche Blasen, die ungewohnte Sonne, weit mehr als 30 Grad, als sie am Nachmittag dann herauskam, erste Rötungen am nackten Gebein und die Samstagsstimmung hier – nichts als Paare, Familien und Gruppen – eine Zusatzdosis Einsamkeit. Auch das muss gesagt werden, ungern aber doch. Der Umstand, dass ich fast einen ganzen Tag keine Lust auf Fotografieren, Essen oder Shoppen hatte, gibt mir zu denken. Ebenso wie die mangelnde Verzückung beim Anblick der wunderhübschen Frangipaniblüten – ein Alarmzeichen per se.
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Wie auch immer, ich drehte ein paar Runden durch den Ort und kehrte dann auf eine Siesta ins Apartment zurück. Dabei stellte ich fest, dass es auf der Terrasse eigentlich unglaublich laut ist – das Gebläse am Dach des Icebergs Rockpool & Club sowie die vielen Gäste sorgen für einen ziemlichen Rummel. Also stürzte ich mich, weil es eh schon egal war, eine halbe Stunde in den Icebergs-Pool, also eigentlich nur notdürftig an den Rand, da wochenendbedingt dort soviel los war, dass mir auch darauf die Lust verging, bevor sie noch aufkommen konnte. Dann noch einmal rastlos durch den Ort, nach einem kurzen Mail von meiner Vermieterin Kate, diesmal schon etwas entspannter. Sie hatte mir einen falschen Code gegeben, so einfach. Und morgen kann ich in das andere Zimmer übersiedeln. Dass sie gar nicht hier wohnt, sondern nebenan, und ich ab morgen mit einem Freund von ihr zusammenwohne, wusste ich auch nicht. Ich weiß nämlich nicht, ob ich mich wissentlich für eine WG mit einem wildfremden Mann entschieden hätte. Das heißt, ich weiß, dass ich das niemals getan hätte. Und die Tatsache, dass er nach ihrer Aussage ausgesprochen nett ist und ihm nach einem Haiangriff ein Arm und ein Bein fehlen, macht die Sache nicht gerade entspannter für mich.
Das ernüchternde Fazit dieses Ankunftstages: Dass ich mich sehnsüchtig nach meinen Winterboots, nach dem heimischen Sofa mit warmer Decke und grauem Winter zurücksehnen würde – und das bereits am ersten Tag – kommt doch etwas unerwartet. Und was ich aus diesem Gefühlschaos lernen könnte, kann ich beim besten Willen noch nicht sagen. Die eiinzigen Vorkehrungen, die ich bislang getroffen habe, bestehen in der Beschaffung von Wein und Keksen – und ob das zur Entspannung meiner chaotischen Seelenlage reichen wird, steht in den Sternen, die sich jetzt mit dem Sonnenuntergang in eine Wolkendecke verkrochen haben..
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