Shiatsu für Anfängerinnen

Es war am vergangenen Samstag. Ich hatte in einem Anfall von Experimentierwahn und Verspannungen eine Schnupperstudio für Max und mich in einem Shiatsu-Studio gebucht.

5 Minuten vor unserem Termin um 17 Uhr standen wir da, vor verschlossenen Türen. Nur zwei Buddha-Statuen blickten uns aus den schwach beleuchteten Räumlichkeiten durch das Fenster entgegen. Dann, Punkt 17 Uhr, wurden wir eingelassen. Schuhe ausziehen, warten, Wasser trinken, warten – all das ging mit knappen sechs Worten einer thailändisch wirkenden Dame ab, die uns kurz hinterfragen ließ, ob wir statt einer klassischen Shiatsu-Massage versehentlich eine erotischere Variante für Paare gebucht hatten. In meinen Jeans kam ich mir jedenfalls reichlich overdressed vor, als ich die Dame in ihrem schwarzen Satinkleidchen und schwarzen Strümpfen sah. Nur ihre Badelatschen trübten das Bild dann doch ein wenig und ließen mich meine neue Theorie in Frage stellen.

Nach 15 Minuten fragten wir bescheiden nach, wann wir denn dran kämen. Schließlich wurden wir in einen winzigen, kargen, dunklen Raum geführt, der stark an ein asiatisches Hotelzimmer für Rucksackreisende erinnerte. Darin: am Boden zwei mit Tüchern und einem nackentötenden Riesenkissen bedeckte Matratzen mit einem Abstand von etwa 15 cm zu den Seitenwänden und zueinander, ein kleiner Hocker zur Ablage von Gewand sowie ein Haken mit Kleiderhaken an der Tür und ein Spiegel, wenn man die Lebewesen mal außer Acht lässt. Beim Anblick der beiden eng an eng liegenden Matratzen beschlichen mich weitere Zweifel: Hätte ich mich vielleicht doch klarer ausdrücken sollen, als ich die beiden Massagen "parallel", also gleichzeitig, reserviert hatte?

Wir wurden angewiesen, uns bis auf die Unterhose entkleidet auf den Bauch zu legen. Das taten wir, Aug in Aug (man merke: Singular, weil das andere Auge weit in der Matratze versank) mit einem großen Tier auf der kahlen Wand vor uns. Dann kamen zwei Damen herein, die wir aber nicht wirklich sehen konnten, weil wir auf dem Bauch mit den Füßen zur Tür lagen. Sie sagten nichts, stellten sich auch nicht vor – kein einziges Wort. Ebenso wortlos legten sie uns warme Handtücher auf den Rücken und begannen ihre Arbeit. Hin und wieder, wenn ich meine Augen öffnete, weil die Masseurin wieder eine besonders schmerzhafte Stelle entdeckt hatte, warf ich einen Blick um mich, was aus der Bauchlage heraus nicht sonderlich ergiebig war. Aber ich erhaschte einen Blick auf die Dame, die gerade Max "zuritt" – sehr energisch, wie ich aufgrund seiner schreckensgeweiteten Augen vermutete. Das hatte wohl auch die Masseurin bemerkt, wie ihre nahezu einfühlsame Frage "erte Tunde?" belegte, womit wir gefragt wurden, ob dies unsere erste Shiatsu-Stunde war: Sehr lange hatte ich aber nicht Zeit für Mitgefühl, denn soeben begann meine Masseurin auf mir eine Übung, die sich anfühlte, als ob sie auf ihre Unterarme auf meinen Schulterblättern gestützt, beginnen würde, sich in den Kopfstand zu manövrieren. Ich vermutete, dass mein Blick nun jenem von Max glich, der aber mittlerweile wieder etwas entspannter wirkte und fast in den Sekundenschlaf abzugleiten drohte.

Doch sein Glück hielt nicht lange an: ich hörte ihn leise aufjaulen, blickte hinüber und sah, wie seinem Oberkörper eine ihm sichtlich unbekannte Gelenkigkeit verliehen wurde, indem er in einem gigantischen Aufwärtsbogen nach oben gedehnt wurde. Ich musste die Augen schließen – das sah nicht gesund aus. Außerdem war ich mit mir selbst beschäftigt: mein Nacken schmerzte von der seltsamen Lage, doch jeder Versuch, durch Veränderung der Armposition eine Entlastung für den Nacken zu finden, endete damit, dass meine Arme energisch wieder in eine andere Position gebracht wurden. Dazwischen gelegentlich ein lautes Zischen, wenn sie wieder Öl aus dem Spender auf ihre Hände pumpten. Einmal landete die Flasche aufgrund des Platzmangels direkt neben meinem Ohr, was eine schreck- und schmerzhafte Bewegung meinerseits nach sich zog, als ich von diesem Geräusch erschrak und mir die Hände der Masseurin noch tiefer in die Schulterblätter bohrte. So ging es fast eine Stunde: Die Masseurinnen turnten auf dem beengten Raum problemlos um uns und auf uns herum, drückten, zerrten und lachten.

Das war durchaus irritierend: Von ihren Gesprächen verstanden wir natürlich kein Wort, doch ihr lautstarkes Lachen zwischendurch gab natürlich Anlass zur Überlegung, ob sie sich gerade über unsere Unbeweglichkeit amüsierten oder doch nur einfach lustige Belanglosikgeiten austauschten. Irgendwann begannen die Schmerzpunkte klein beizugeben, was aber auch daran liegen konnte, dass nach einer intensiven Bearbeitung des leidgeplagten Rückens kleine stumpfe Fersentraumata folgten – starkes Klopfen auf die Fußsohlen, die mich an die Krimis erinnerten, in denen immer vom "stumpfen Schädeltrauma" die Rede ist. Auch das Zehenschnalzen schien ihnen großen Spaß zu machen; ich selbst hätte mir am liebsten die Ohren zugehalten, was natürlich nicht ging, da den Armen ja eine klare Position zugewiesen worden war.

Nach der Wendung auf den Bauch (das Kommando lautete schlicht: Umdehn!) kam mir die Bearbeitung weitaus sanfter vor, doch der Muskelkater im Rippenbereich, den wir am nächsten Tag hatten, zeugt davon, dass die Damen volle Arbeit geleistet hatten. Das erstaunliche Fazit: Nach dieser so grob wirkenden Behandlung fühlte ich mich wirklich gut, und auch Max, der vor Kreuzschmerzen kaum von der Matratze hochkam, nahm sofort das Angebot auf einen sehr stark vergünstigten 10er-Block an. Wenn das nicht für die Qualität der Behandlung spricht oder zumindest das Konzept, jemandem möglichst wenig Hoffnung auf Entspannung zu machen, um den Klienten doppelt belebt und erleichtert – mit einem 10er-Block – in die Freiheit zu entlassen! Ich komme wieder, auch wenn ich mich ein ganz klein wenig fürchte…


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert