Ich programmier mir mal ein Lied und andere Sorgen

Ich programmier mir mal ein Lied – und werde es dann nicht mehr los. Das ist das erste kleine Lowlight eines ansonsten wunderbaren Freitags, der mit einer kleinen Portion Übersetzen, einer Einheit Pilates unter dem strengen Regiment einer Ersatztrainerin und einer herrlich entspannenden Massage beginnt. Letztere brauche ich nach dem Pilates heute aber wirklich, denn man könnte meinen, die eingesprungene Trainerin ist Oberbefehlshaberin beim Bundesheer. Allerdings spricht sie eine sehr eigene und mir auch nach mittlerweile 2 Pilatesjahren sehr fremde Sprache und verwendet Worte wie Kinnverschluss und Bezeichnungen für Muskeln, bei denen mir nicht nur die Bezeichnungen sondern auch die Muskeln völlig unbekannt sind.

Egal, es ging ja eigentlich um die Musik, die ich als Klingelton für den lieben Max eingestellt habe. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich überhaupt bei der Option "Klingelton" gelandet bin, denn Handyarbeiten gehören nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen und reihen sich gleich hinter Putzen, Admin und Gartenarbeit auf Platz 4 der ungeliebtesten Tätigkeiten ein und darin liegt auch schon das wahre Problem. Denn ich erwische just ein Lied, das mit einem enthusiastischen Applaus beginnt und nach 2 sehr leisen Takten aufhört, bevor es richtig anfängt, also bevor ich es richtig gehört habe. Der Klingelton muss wieder weg! Sofort! Aber wie? Der Menüpunkt ist wie vom Erdboden verschluckt und so kommt es, dass ich nun mehrmals täglich durch einen frenetischen Applaus aus meiner Arbeit oder zumindest meinen Gedanken gerissen werde. Nicht, dass das schlecht ist – ein bisschen Anerkennung und Applaus hat noch niemandem geschadet aber dennoch: in der Zeit, die ich mit dem Versuch zugebracht habe, das halbherzige Liedchen wieder durch einen ollen Klingelton zu ersetzen, hätte ich mehrere Studioaufnahmen machen können – von mir, wie ich das Lied singe. Und dann hätte ich mir den Applaus eingespielt, jawohl! Das wäre wohl auch die einzige Möglichkeit, zu einem solchen zu kommen. Denn Singenkönnen, Richtigsingenkönnen steht weiterhin ganz oben auf meiner Liste jener Wünsche, denen ich in hellen Momenten eine eher geringe Umsetzungschance einräume.

Doch nun zu was Anderem: Ich gebs zu, im April beginnt bei mir jedes Jahr die Zeit der australischen Schadenfreude. Der Auslöser für diese erhebende Phase des neu entdeckten Heimatgefühls ist zumeist ein australisches Kochmagazin, das zwar auch in der April-Ausgabe so wunderschön und liebenswert ist, dass ich es zur Kultivierung der Vorfreude mindestens 1 Tag lang unausgepackt auf dem Couchtisch liegen lasse, aber zumeist Wörter wie "Autumn feast", "Cooler season" oder ähnliches enthält. Dann wird mir klar, dass wir um diese Jahreszeit eindeutig begünstigt sind, denn wir sind voller Vorfreude auf Frühling und, etwas hochgegriffen im April zwar, aber übermotiviert wie ich gerne bin, dennoch unumgänglich, auf Sommer. Und das, während die Aussies geradewegs aber unerschütterlich picknickend in den Herbst und Winter steuern.

Was bei meinen Freunden sofort die Frage aufwirft, ob ich dann in unserem Sommer, also dem australischen Winter, nicht doppelt "schadenfroh" bin? Nein. Aus einem einfachen Grund: denn wenn mich, wahrlich selten im Sommer, denn da bin ich so mit dem vollen Sonnensommerfeelingsgenuss beschäftigt, dass mein Horizont kaum über meine Flipflops hinausreicht, der Gedanke überhaupt erreicht, dass Down-Under gerade vom Winter heimgesucht wird, folgt zumeist auch die am eigenen Leib gefühlte Erkenntnis, dass dieser weitaus besser ist als der unsrige. Ich erinnere mich an "crisp winter days" in Sydney bei strahlend blauem Himmel und einer einzigen Fleece-Jacke – nichts von wegen Winterjacke und Pudelmütze. Da ist einfach keine Schadenfreude zulässig, denn klimatisch haben sie es einfach besser – oder zumindest Sonnenjunkies wie ich, die mit jeder neuen Sommersprosse aufblühen wie die Magnolien in meinem Aprilgarten.

Anderes heikles Thema: Fahrräder. Ihre Farbgebung. Und mein Entsetzen darüber. Wer designt das? Wer denkt hier nicht mit? Aber der Reihe nach: ich will mir ein neues Fahrrad kaufen und kenne das aktuelle Sortiment der führenden Sportgeschäfte mittlerweile recht gut. Kenne daher auch sehr gut alle Damenräder und alle Farbnuancen: weiß, aschgrau, fahlgrau, schlammgrau, betongrau, mausgrau und schwarz und alle nur erdenklichen und wenig erklecklichen Kombinationen dieser Unfarbtöne daraus, die jeden Suizidgefährdeten gleich veranlassen, das gute Stück ohne Bremsen zu ordern.

Zumindest für die Komfort-Bikes gilt das wirklich ausnahmslos, wenn man nicht geneigt ist, sich eines der entzückenden Kinderräder zuzulegen: Prinzessin Lillifee etwa ist groß in Mode mit detailgetreuen Motiven wie frisch aus dem Bilderbuch. Bei den Mountain Bikes ist die Lage geringfügig besser: hier gibt es gelegentlich auch Farben aus dem Leben: orange, rot oder sogar grün. Aber warum nur und gerade bei Mountain Bikes?

Kann mir einer erklären, warum bei den Mountain Bikes, die nach der ersten ernst zu nehmenden Ausfahrt ohnehin schmutzig sind, Farben zum Einsatz kommen, während bei dem Gros der Räder, die wohl für Frauen über den Ladentisch gehen, die Farbpalette eines Farbenblinden zur Anwendung kommt?

Habt Ihr noch nichts von Farben oder womöglich gar dem Modetrend der Saison COLOUR BLOCKING gehört, liebe Designer? Ich würde mir vielleicht sogar ein Tagrad in knallorange-gelb und ein Abendrad in blitzblau-pink zulegen und den Trend zum Zweitrad begründen! Sogar ein eigenes Nachtrad könnte ich mir vorstellen: nachtblau-weinrot vielleicht?

Selbst die Verkäufer sind, obwohl jung und daher modern, wie man glauben sollte, immer wieder aufs Neue entsetzt, wenn ich mich nach etwas pfiffigeren Farben erkundige. Um sie nicht zu sehr vor den Kopf zu stoßen, stelle ich diese kritischen Fragen nun immer erst, nachdem ich mich sehr ausgiebig über SRAM- und Shimano-Bremsen, Naben- und Kettenwurfschaltung, arretierbare Federgabel und Nabendynamo informiert und gelegentlich auch entsprechende Kommentare, Begriffe und wissende Blicke um mich geworfen habe.

Dennoch: das Entsetzen steht den armen Verkäufern immer ins Gesicht geschrieben: Wieso braucht die Alte eine andere Farbe für ihr Fahrrad? Weil ich so bin. Weil Frauen so sind. Und wenn sich andere Frauen nicht nach tollen Farben zu fragen trauen, muss ich eben diese undankbare Vorreiterrolle übernehmen. In 20-30 Jahren vielleicht wird es dann auch für ordinäre Damenstadträder einen Hauch von Farbe geben. Bis dahin hoffe ich, dass sich irgendjemand erbarmt und a) zumindest knallgelbe Klingeln und orange Griffe erfindet und b) die Farbpalette der Packtaschen von grau, schwarz und rot um eine vierte Farbe erweitert und c) wenn er gerade mit den Farben spielt, auch die Radsportbrillen in dieser vierten Farbe auf den Markt bringt. Meine ewige Dankbarkeit wäre dem Erfinder sicher!

Ich will ein Rad, das mich glücklich macht, mich ermutigt aufzusteigen und loszudüsen. Und ein buntes spricht ganz sicher viel eher meine Sprache und nicht die meines Schweinehundes! Bei Rückfragen, liebe Designer, stehe ich gerne für eine ausführliche Consulting-Tätigkeit über das Farbempfinden der modernen Frau und ihre unmittelbar mit dem Motivationspegel gekoppelten ästhetischen Ansprüche zur Verfügung. Vielleicht werde ich ja die Bertha von Suttner, Maria Schaumayer oder Ute Bock des modernen Alltagsfahrraddesigns?


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert