Ein Shrimp namens Ebi und fette Beute

Wie lautet die Einzahl von Shrimps, so die zentrale Frage am ersten Tag nach 4 Wochen Matt- und Krankheit, den ich gestern endlich wieder mit 90% Lebensenergie (das liegt bereits wieder 25% über dem von Max leicht erträglichen Maß) bestritten habe.

Ein Shrimp, mehrere Shrimps? Ein Kek, mehrere Keks? Hmm, egal. Wie es dazu kam?

Durch eine Speisekarte mit mindestens 20 geschriebenen und, wie wir seit unserem heutigen, dritten Besuch wissen, mindestens 27 ungeschriebenen Regeln. In unserem neuen Lieblingslokal namens EBI, seines Zeichens ein japanisches All-you-can-eat–Restaurant.

Erster Besuch, erster Fehler: Das von uns begutachtete Buffet wartet lediglich mit Salaten, Obst und einigen für uns Unbedarfte eher unjapanisch anmutenden Desserts (Bananenscheiben mit Schokosauce aus der 10-Liter-Flasche) auf. Bald finden wir eine Anleitung: auf dem Cover der umfassenden Speisekarte. Selbige besagt, dass das Essen nämlich an den Tisch gebracht wird. All-you-can-eat bedeutet, dass man 6 Durchgänge hat, bei denen man pro Person bis zu 5 verschiedene Gerichte von der Speisekarte bestellen kann. Das klingt vernünftig, insbesondere wo ich mich ohnehin so ungern an Buffets drängele und das ständige Aufstehen sehr ungesellig und unkommunikativ finde. Weiters besagt das Cover, dass man nur bei einem Durchgang etwas übrig lassen darf. Isst man auch bei einem weiteren Durchgang nicht brav auf, fällt eine Strafgebühr von 2 Euro an. Mutet seltsam an, ist aber durchaus pragmatisch, denn so soll verhindert werden, dass man maßlos alles bestellt und dann sehr viel verschwendet wird. Die Regeln zu den einfachen und doppelten roten Sternchen lasse ich jetzt mal aus und gehe zum eigentlichen Teil unseres japanischen Abenteuers über – dem Essen.

Wir, nachdem wir die Spielregeln nun beherrschen, oder dies zumindest glauben, bestellen mal großzügig jeder 5 Maki bzw. Sushi. Nach wenigen Minuten bringt ein Kellner die ersten Tellerchens. Das war meine Erwartung, bloß entpuppen sich die Tellerchens als Teller und bei den bestellten Maki und Sushi handelt es sich nicht um Einzelstücke, sondern um jeweils 3-4 Stück pro Teller. Kaum haben wir mit dem Essen begonnen, bringt der Kellner die nächsten bestellten Portionen. Innerhalb von wenigen Minuten ist unser Tisch voller Teller und wir etwas blaß um den Mund. Maki-Kur hatten wir eigentlich keine im Sinn gehabt. Und dass man aus den Mini-Fotos schließen hätte können, wie viel Stück man von etwas bekommt, stand nicht in der Anleitung. Der Clou erfolgt dann, als der Kellner mit einer ganzen Maki-Platte auf uns zukommt. Ich schaue gefließentlich an ihm vorbei, denn ich bin sicher, dass diese für den Nebentisch bestimmt ist, aber nein! Auch die ist für uns. In unserer Bestellung der ersten Runde versteckt sich doch tatsächlich eine ganze Platte mit sicher 10-12 Stück.  Da wir aber viel Zeit und Hunger haben und die Maki wirklich köstlich und alles anderes als 0815 sind, vertilgen wir doch tatsächlich alles, was wir bestellt haben. Besonderer Hit: die mit knuspriger Ente gefüllten Maki und jene mit einer Avocado-Haselnuss-Füllung. Nach der zweiten Runde müssen wir aber durch technisches KO aufgeben. Ich finde aber, wir haben uns angesichts unseres Unwissens mehr als tapfer geschlagen.

Zweiter Besuch, zweiter Fehler: In vollem Bewusstsein der Fehler vom ersten Besuch wollen wir es diesmal besser machen. Artig bestellen wir pro Runde immer nur 2-3 Speisen, uns das erst, nachdem wir die Mino-Fotos genau begutachtet haben, um sicherzugehen, dass sich dahinter nicht wieder eine ganze Platte verbirgt. Nach der dritten Runde dann ein Rüffel der Kellnerin. Wenn wir den Zettel mit den von uns gewünschten und entsprechend gekennzeichneten Speisen nicht senkrecht auf den Tisch stellen, bekommen wir kein Essen, denn dann gehen die Kellner an uns vorbei, ohne uns und insbesondere unseren Bestellzettel eines Blickes zu würdigen. Na gut. Beim ersten Besuch hats aber auch mit flach liegendem Zettel ganz gut geklappt. Neues Highlight: die gefüllten Teigtaschen und die kleinen gemüsegefüllten Rindfleischröllchen.

Dritter Besuch, dritter Fehler: Diesmal machen wir alles richtig, davon sind wir überzeugt. Neue Herausforderung: wir kommen am Wochenende und nicht an einem Wochentag und jetzt müssen wir uns auch mit den roten Sternchen auf der Speisekarte befassen. Ein rotes Sternchen heißt: nur am Wochenende erhältlich, zwei rote Sternchen bedeuten: nur am Wochenende aber ab der 2. bestellten Portionen gegen Aufpreis erhältlich. Hmm. Als ob es nicht schon genug Regeln hier gäbe. Zur Verwirrung trägt außerdem bei, dass diese Speisen tw. ohnehin auch in anderen Sets – ohne Sternchen und ohne Aufpreis – enthalten sind. Macht aber nichts. Gut sind die sesampanierten Riesengarnelen allemal, auch wenn sie um nichts größer sind als ihre ohne Sternchen und Aufpreis-ab-der-zweiten-Portion-Schwestern sind. Außerdem hervorragend: die Bulgogi-gefüllten Maki und die nicht auf der Karte befindlichen Maki des Tages, die ein Kellner an den Tisch bringt, so etwa ein Maki mit 7 Sorten Bio-Reis (wusste gar nicht, dass es so viele Sorten Reis gibt), gehüllt in Strudelteig (Max behauptet allerdings in einen Gurkenstreifen) und bedeckt mit Erdbeerscheiben.

Aber wieder sind wir vor einem Rüffel nicht gefeit. Da wir beide große Fans der gefüllten Teigtaschen sind, wollen wir zwei Portionen davon bestellen. Ich mache also nicht wie sonst nur einen Kreis um die gewünschte Nummer, sondern schreibe in den Kreis die Zahl 2. Logisch, oder? Dachte ich. Der Kellner kommt mit unserem Bestellzettel zurück und erklärt uns, dass wir keine Kreise machen sollen. Okay, was dann? Nein, Kreise sind nicht vorgesehen, wir sollen doch immer die Anzahl der von der jeweiligen Speise gewünschten Speise in das jeweilige Feld schreiben. Okay, aber die letzten beiden Male hat es auch anders geklappt. Egal, Essen ist lecker wie immer. Und da auch die japanischen Eissorten ein rotes Sternchen aufweisen und wir Neuem durchaus aufgeschlossen gegenüberstehen, probieren wir heute auch das Eis. Dieses bietet reichlich und ungeahntes Konfliktpotenzial. Wir wollen gerne drei Sorten kosten: japanisches Vanilleeis, Grünteeeis und gebackene Schlagsahne. Artig male ich in jedes der Felder eine "1". Nach kurzer Zeit kommt der Kellner wieder kopfschüttelnd zurück: es sei nur eine Nachspeise pro Person vorgesehen. Okay, stand aber nicht auf dem Cover! Kühn frage ich, ob ich eventuell mehrere Sorten mischen darf, also je 1 Kugel statt 3 gleiche Kugeln. Dem Kellner steht das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Seine ausführliche Erklärung: "Das geht nicht." Hmm, das überzeugt. Irgendwie hat er dann aber Mitleid und malt seltsame Zeichen auf den Bestellzettel, die dazu führen, dass wir schließlich von 3 Sorten je 1 Kugel erhalten. Das Vanilleeis schmeckt wie langweiliges Vanilleeis einer Billigmarke, das Grünteeeis erinnert farblich extrem an die noch am Tisch befindliche Wasabicreme, schmeckt aber mehr wie der Tisch höchstpersönlich, nur die gebackene Schlagsahne fällt aus der Reihe und erweist sich als äußerst interessant: ein Teigbällchen gefüllt mit tiefgekühltem Schlagobers. Ganz okay, aber den ganzen Zirkus darum – rote Sternchen, nur 1 pro Person, keine Kombis – verstehe ich eigentlich nicht. Aber ich bin zuversichtlich: irgendwann werden wir angelernt und fertig ausgebildet sein und unsere Besuche fehlerlos über die Bühne bringen. Bis dahinheißt es allerdings noch Üben, Üben und nochmal Üben, denn die ungeschriebenen Gesetze sind doch etwas anspruchsvoll. Haben wohl nicht alle aufs Cover gepasst, aber vielleicht hätte man einen Beipacktext zusammenstellen können, oder gar eine Eingangsprüfung?

Überhaupt erinnern mich die vielen Verbote an jene auf dem Tennisplatz meiner Sturm-und-Drang-Zeit wie "nicht auf den Bänken tanzen", wobei man wissen muss, dass die Bänke auf dem ohnehin etwas desolaten Tennisplatz aus der Zeit der Jahrhundertwende stammen – jener Wende VOR unserer Geburt wohlgemerkt, ihre Beine alles andere als stramm sind geschweige denn fest sitzen und nur Suizidanfänger einladen könnten, darauf zu tanzen. Das Schlimmste dabei wäre allerdings nicht der freie Fall und eine eventuelle Knochenverletzung, sondern vielmehr der Kontakt mit dem modrigen Erdreich, das den Garderobenboden besiedelt und fest im Griff hat.

Ich weiß seit diesem Wochenende aber nicht nur, woher der Name Ebi (aus dem Japanischen, Bedeutung: Shrimp), sondern auch woher der Ausdruck Filzmoos stammt. Ersteres ist der Name unseres oben genannten Lieblingslokals, zweiteres die Beschreibung meiner Haarpracht. Seit ich am Donnerstag erstmals wieder schwimmen war, steht fest: das Gestrüpp ist tatsächlich auf das Chlor zurückzuführen. Wer meint, ganz dringend Dreadlocks (oder zumindest eine Dreadlock) zu brauchen, besuche ein Wiener Hallenbad. Und dann einen guten Frisör, den ich leider immer noch suche. Jetzt aber heißt es mal Cocooning, denn nach all den Grammatikübungen, japanischen Sittenverstößen und Gaumenfreuden bin ich erschöpft, weil einfach aus der Übung. Eingestreut in diesen Tag war nämlich auch ein Besuch auf der Wiener Kreativmesse und wer mich kennt, weiß: mich dort auszusetzen, ist gefährlich. Insbesondere wo Max gleich nebenan ganze 2 Stunden trainieren war und ich daher volle 2 Stunden Zeit hatte, dort mein Unwesen zu treiben und in 5 Plastiktüten verpackt zum Auto zu schleppen. O yeah, life is good. Again.

Weiteres Highlight: Die Menge an Salbeitee liegt am heutigen Tag erstmals seit 4 Wochen unter der Menge an konsumiertem Alkohol. Das liegt daran, dass ich gestern erstmals seit 6 Wochen überhaupt wieder Alk getrunken habe – dafür aber nicht so schnell wieder damit aufhören werde, insbesondere weil sich die Mango Colada sehr vielseitig erweist und etwa auch als Banango Colada zwar keine gute Figur aber sehr gute Laune und einen ebenso guten Schlaf macht!

Außerdem warte ich auf mit: ein bisschen Muskelkater vom ungewohnt vielen Gehen, Stehen und Staunen, ein bisschen Florida-Flair dank Genussmeile, vor allem aber auch dank amerikanischer Bastelhefte von der Kreativmesse und amerikanischen Kochzeitschriften aus der internationalen Zeitschriftenabteilung von Thalia. Life. Is. Good. Oh! Yeah!

Dementsprechend gehe ich alle 10 Minuten zu meiner fetten Kreativbeute, erfreue mich ein wenig, ergötze mich ein wenig, male mir aus, was ich damit machen werde, nehme die Dinge in die Hand, lasse Bilder in meinem Kopf entstehen, lege sie und dann mich wieder hin. Ein Samstag Abend nach meinem Geschmack. Fette Beute. Echt fett. Echt good. Der erste echte Frühlingsausritt auf dem Fahrrad am Sonntag tut ein Übriges zum Aufwärtstrend in Sachen Gutelaune und Wenn-ich-groß-bin-will-ich-ein-Ganzkörpermuskelkater-sein. Krönendes Highlight und ein Wagnis in Sachen Selbstversuch: mein dreister Beschluss, dass mir Putzen ab sofort und bis auf Widerruf Spaß macht. Das könnte in den nächsten Monaten für gute Unterhaltung sorgen!


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