Glücklicherweise ist heute ein Fahrtag, denn das gibt mir Zeit, die zu Miami völlig konträren Eindrücke der Florida Keys und insbesondere von Key West zu verdauen (und natürlich die herrliche Key Lime Pie, die man hier probieren muss!). Die da wären, die Unterschiede: Key West hat etwas, was ich unwissend als untrügerischen Südstaaten-Charme bezeichnen würde, mit weißen Holzhäuschen, Veranden mit Schaukelstühlen und "porch swings" (von der Verandadecke hängende Hollywoodschaukeln aus Holz), toller tropischer Vegetation, engen Gassen, (relativ) alten Häuschen und liebevoll, zumeist rot-weiß, manchmal aber auch überbordend bunt und übertrieben weihnachtlich geschmückten Häusern. Jenes, vor dem wir fassungslos stehen bleiben, weil man vor lauter Lichtern in allen Farben am Haus und an jeder Pflanze im Garten gar nicht mehr sieht, wo eigentlich der Eingang wäre, ist mit einem Schild gekennzeichnet – als Inhaber des 2. Platzes beim Holiday Light Contest, dem jährlichen Weihnachtsbeleuchtungswettbewerb! Ich will mir gar nicht vorstellen, wie der Sieger aussieht!
Weitere Unterschiede zu Miami: man kann in Key West zu Fuß gehen, ohne akute Angst vor Ermüdungsbrüchen zu erleiden, und es gibt haufenweise Touristen, die hier gehäuft besonders negativ auffallen. Aus jedem zweiten Lokal quellen andere Melodien und andere Touristenschwärme, aber das Flair hat dennoch etwas, was trotz Sturm und weniger als 10 Grad unheimlich fröhlich stimmt: dazu Galerien, Läden und viele, viele freilaufende Hühner. Diese erinnern mich an die Hawaii-Insel Kauai, wo ebenfalls so viele Hühner zwischen Parkplätzen, Häusern und Straßen herumliefen, da diese bei einem Hurrikan entkommen waren und sich nun glücklich vor sich hinvermehren. Da die angekündigte Kalt- und Schlechtwetterfront sich vornehmlich als Kalt- und Sturmfront mit nächtlichem Regen herausstellt, sehen wir zwar von Key West fast alles, und das sogar trockenen Fußes – bis auf den Sonnenuntergang, der wohl unter der Wolkendecke stattfindet. A propos Decke: hier und auch im superurigen Blue Parrot Inn, in dem wir absteigen, ist es so kalt, dass mich eine pelzig gefütterte Weste im Abverkauf anlacht und vor gröberen Erfrierungserscheinungen bewahrt.
Außerdem dämmert mir auf der heutigen mehr als 5stündigen Autofahrt an unseren zweiten längeren Standort Fort Myers an der Westküste Floridas, dass ich langsam wohl zur Kenntnis nehmen muss, dass dem lieben Santa Claus auch dieses Jahr beim Verteilen der Geschenke wieder kein Häuschen am Meer übrig geblieben ist. Aber er hat noch eine Chance bei mir: vielleicht ist ihm ja ein Werk von Dan Mackin übrig geblieben. Natürlich würde dieses am besten in ein Häuschen am Meer passen, aber ich will ja nicht unbescheiden sein. Nächstes Jahr reicht das Häuschen allemal noch… Aber das Bild vielleicht? Denn in einer der unzähligen tollen Galerien in Key West entdecke ich eine Collage aus alter Seekarte und Gemälde, die mich wirklich begeistert. Bei diesem Bild kann ich nicht einmal mit dem ganzen mir manchmal eigenen Optimismus die Illusion hegen, sowas irgendwann einmal an einem besonders glücklichen Tag selbst hinzubekommen – und es liegt nicht an der fehlenden Seekarte. Leider. Ich tue also, was ich nicht lassen kann und frage nach dem Preis. Die Antwort: 3.990 USD, plus Mehrwertsteuer von 6%, Versand von 628 USD und unbekannten, geschätzten 800 EUR Zolleinfuhrkosten nach Österreich. Huch! Doch ich bewahre die Fassung und spiele, was ich gerne einmal im Jahr spiele: die betuchte Reisende von und zu Welt, die sich locker mal ein Bild um umgerechnet 5.000 EURO leisten kann, ohne viel nachzudenken. Obwohl ich das tue, nachdenken nämlich: angenommen, ich würde noch 40 Jahre leben (a scary thought, wie ich finde) und angenommen, mir würde das Bild bis in die Tage im Altersheim gefallen (ebenfalls sehr scary), würde mich das Bild pro Tag umgerechnet in Schilling, um es besser fassbar zu machen, 4 ATS – oder für neumodische Seelen 0,30 EUR – kosten. Doch die Galeriebesitzerin nimmt mir, man höre und staune, die betuchte Reisende ab, oder tut zumindest glaubwürdig so, wodurch wir vermutlich nun beide gekonnt schauspielern. So verhandeln wir also, ob ich das Bild denn mit Eillieferung brauche oder es auch ein paar Wochen per Seefracht zugestellt werden darf. Ich bin begeistert: nicht nur von dem Bild, sondern auch von meinen schauspielerischen Fähigkeiten im Einzelhandelsgewerbe. Und beschwöre innerlich Santa Claus, noch einmal in seinem hoffentlich großen Sack nachzusehen, ob vielleicht das "East Coast Beach Girl" von Dan Mackin noch übrig ist. Er kann es gar nicht übersehen, denn es ist etwa 1,20 x 1 m groß und sowas von urlaubig, dass Santa wahrscheinlich am liebsten sofort in die Karibik auf Kur fahren möchte. Das Häuschen kann er ja nächstes Jahr nachliefern…
<-"East Coast Beach Girl" |
Neben den Hühnern von Key West sind auch die Mailboxes bemerkenswert, die sich entlang des Highway No 1 über die einzelnen Inseln der Keys reihen: ob als Manatee, als Delfin, als Katze oder Hund getarnt, die Mailboxes sind lustig und verkürzen ebenso wie die wunderbaren Ausblicke auf das türkisgrüne Meer, die Fischer, idyllischen Dörfer und Häuser die lange Autofahrt doch erheblich.
Aus der Man-Serie heute: "Man staring at cat" und "Man being stared at by cat" sowie "Man freezing despite new orange pullover"
Als wir gegen 17 Uhr heute endlich in Fort Myers ankommen, führt uns das GPS zielstrebig an das eingegebene Ziel: ein wunderhübsches Haus, das zu unserem Befremden den Titel "Baptist Church of Angels" (oder so ähnlich) trägt. Da ist unser Apartment??? Nach genauerer Betrachtung der Lage und Entdeckung einer verborgenen Straße dann die erleichternde Erkenntnis: unser Apartment befindet sich in einem netten Holzhäuschen mit Veranda, beheizbarem Whirlpool, Gratis-Waschmaschinen, kleinem Gym-Fitnessraum und eigenem Parkplatz und nur 5 Minuten von einem großen Supermarkt entfernt in einer schräg abzweigenden Minigasse und nicht direkt in der Kirche.
Der wichtigste Einkauf bei Publix heute: ein Sack Key Limes, herrlich säuerliche Minilimetten, aus denen hier jede 2. Süßspeise zubereitet wird. Das wollen wir testen, zunächst einmal ganz gesund mit einem Spinat-Salat mit Mango, Schalotten, getrockneten Cranberries und Key Lime Juice! Andy's First Floridian Island Salad…
Unser Apartment ist eine witzige Mischung aus altem Holzhäuschen im schwarz-weiß gehaltenem Pippi Langstrumpf-Stil mit Ikea-Elementen. Ich hoffe, man kann sich das jetzt gut vorstellen. Besonders interessantes Detail: der Herd hat ein Backrohr, und dieses kann locker einen Puter für eine Großfamilie mit 24 Personen beherbergen, während der Kühlschrank eher in die Kategorie Kühlbox fällt: bereits die Unterbringung eines normal großen Milch-Containers, hier 4 Liter (!), übersteigt seine Kapazität beinahe. Wir wohnen mit unserer Küche, einem Schlafzimmer, einem Bad sowie einem Strauraum in der Dachmansarde, wo wir es uns bei nur 3 Grad im Freien mit auf Maximum eingeschaltetem Heizstrahler gemütlich machen und uns nach unseren Vorstellungen einrichten. Langsam tauen meine Zehen an, die heiße Milch mit etwas Schoko-Fudge wärmt von innen und mit etwas Tüfteln wird uns für morgen hoffentlich ein Indoor-Programm einfallen, denn auch morgen soll es max. 10 Grad haben. Aber da hier soeben der Megaabverkauf begonnen hat, mache ich mir keine Sorgen – und für Max gibt es immer noch das große Edison Museum. Und sollte es ganz schlimm hergehen, gibt es ja immer noch den beheizten Whirlpool und im absoluten Notfall auch den Fitnessraum. "Life is good" ist nicht nur das Motto einer hiesigen T-Shirt-Company.
Und dass derzeit ein Schneesturm den Nordosten der USA inklusive Flugverkehr lahmlegt, lässt uns noch kalt: unser Rückflug, allerdings über das derzeitige Wetter-Krisengebiet Washington, hat ja noch mehr als 1 Woche Zeit!