Mittags: alte Kleider aus Versailles

Schon wieder ein perfekter Tag!

Denn die Schneeschaufelgeräusche, zu denen wir aufwachen, entpuppen sich als dumpfes Flugzeugröhren! Das gehört gefeiert: mit einem morgendlichen Besuch des Strandes mit zugehörigem Sonnenaufgang, heute nicht mit durchgehender Wolkendecke, sondern nur mit vereinzelten Wölkchen! Diese im Vergleich zu den Vortagen noch positivere Wetterentwicklung führt dazu, dass es bereits um 9 Uhr richtig warm und strahlend blau ist. Was habe ich all die Winter bisher eigentlich in Wien zu suchen gehabt?, ist die Frage des Tages, die ich vermutlich nicht so schnell werde beantworten können.

Als ich von der kleinen Sonnenaufgangsfotoorgie für eine (sehr zufriedene) Person zurückkehre, erwartet mich bereits ein Sittenbild mit Frühstück. So hat eben jeder von uns seine eigenen Schwerpunkte, was ich angesichts der Himbeer-Pancakes mit Chocolate Fudge sehr, sehr gut finde!

Dann aber gehen wir den Tag gemeinsam an, und zwar in Coconut Grove, wo wir ein bisschen herumflanieren, und dann in Little Havanna, dem kubanischen Viertel. In einem Park wird von vornehmlich alten Herren Domino gespielt, in Straßenlokalen und kleinen Läden bekommt man einen ersten Eindruck vom kubanischen Leben (wir entdecken herrliche Empanadas und etwas Schokiges mit Dulce de Leches, das den Namen Masitas trägt und so gut schmeckt, dass ich am liebsten zurücklaufen würde, um mir das Rezept geben zu lassen). Für einen besseren kulinarischen Einblick gehen wir dann noch in ein empfohlenes kubanisches Restaurant essen: ins VERSAILLES! Ehrlich. Der Laden ist gestopft voll, die Speisekarte auch, aber schließlich entscheiden wir uns für "alte Kleider (ropa vieja – geschabtes Rindlfeisch in Gemüsesauce, mit Reis und Bohnen) sowie gebackene Yucca, Gemüsespalten, die wie Kartoffelspalten aussehen und ähnlich schmecken sowie mit Käse gefüllte Pfefferoni (jalapenos). Leider kann uns der Kellner – nicht einmal auf Spanisch – erklären, wieso dieses urkubanische Lokal "Versailles" heißt. Er beteuert, dass dies "un nombre frances" sei, was ich ja eh weiß. Das wiederum veranlasst ihn zur Annahme, dass ich Französin bin, nicht aber zu weiteren Ausführungen. Ich hätte ja noch eine Frage, die ich aber angesichts seiner Unwissenheit unterlasse: warum serviert man den kubanischen Kaffee in Minitassen, die selbst für Puppen überdimensioniert werden, aber mit einem Löffel, der nur Millimeter von einem ausgewachsenen Suppenlöffel entfernt ist?

Dafür lösen wir ein anderes Rätsel der Stadt: die scheinbare Zirkusinvasion in Miami. Denn die in der ganzen Stadt aufgebauten Zirkuszelte in bunten Farben, lila-weiß gestreift, blau-weiß gestreift, rot oder grün-weiß, entpuppen sich als mit Zeltplanen überdachte Christbaumverkaufsstandplätze und haben halt, typisch Amerika, jeweils die Dimension einer ganzen Zirkusdynastie.

In einem Buchladen entdecke ich ein Buch mit dem unsäglichen Namen "Fat With Brownies", was mich etwas irritiert – muss man das denn draufschreiben? Auf den zweiten Blick erkenne ich meinen Lesefehler: es ist das Kochbuch der Fat Witch Bakery und heißt natürlich "Fat Witch Brownies"!

Für den Nachmittag wäre nun noch ein kleiner Wunsch offen, der aber voraussetzen würde, dass irgendjemand in der Eile eine große Marktlücke gefüllt hat: ein GPS, das bei der Annäherung an ein Buchgeschäft, sagen wir im Umkreis von 10 km, fröhlich zu singen beginnt, bei Küchenzubehörgeschäften selig zu grinsen und bei Bastelgeschäften im Reggaerhythmus swingt. Da unser GPS keine dieser Funktionen beherrscht, geht es nach Hause zu einer Siesta. Denn heute wollen wir uns das Nachtleben geben.

Dieses kommt hier unserem Lebensrhythmus sehr entgegen: denn man muss kein Nachtmensch sein, um dieses zu genießen, da es bereits um 17.30 Uhr finster wird! So ein Glück. Rechtzeitig zur blauen Stunde ziehen wir also nochmal los: über den Boardwalk mit den von den letzten Sonnenstrahlen beleuchteten Baywatch-Hütten (alle unterschiedlich gestaltet) und den Strand Richtung Art Deco District, der sich ganz anders als vorgestern in der Früh präsentiert. Dinner Specials statt Breakfast Specials, aber sonst wie gewohnt bunte Lichter und Weihnachtsdeko überall, viele, aber nicht zu viele Menschen, Hunde (und Menschen) mit Weihnachtsmützen, Autos mit Rentiergeweihen auf den Türen, sommerlich laue Abendstimmung mit leicht tropischem Duft vom Meer, Palmen soweit das Auge reicht und zuletzt, als Krönung eines perfekten Tages, der Vollmond, der zwischen den Palmen über dem Meer aufgeht und dieses in glänzendes Flutlicht taucht. WOW! Diese Stimmung inklusive Lebensgefühl würde ich gerne eintüten und mitnehmen – und natürlich auch mit allen Interessierten teilen. Pulsierendes Leben an fröhlicher Leichtigkeit, Sommerstimmung an Weihnachtsflair, Sonnenreste an Vollmondleuchten – ich kann es einfach nicht (in Worte) fassen!

Ungeklärt ist weiterhin das Weihnachtsmenü, denn ím Apartment gibt es kein Backrohr, aber eine Mikrowelle, deren Betriebsanleitung von den Dimensionen an unsere alten Telefonbücher heranreichen müsste, so viele Tasten hat sie. Es ist klar ersichtlich, dass es sich um eine Mikrowelle handelt, die auch kochen kann – aber kann sie auch backen? Und wie bringt man sie zum Kochen? Das aber lässt mich, nach vielen, vielen Fußkilometern endlich wieder nach Hause gekommen, kalt, denn ich falle so wie Max gestern, ins Bett und schlafe schlafe schlafe. Good night, sleep tight, don't let the bedbugs bite! 

 


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