Zugegeben: Diese Überschrift entstand vor dem Unwetter aller Unwetter, das uns des Nachts heimsuchte. Irre laute Donner und vor allem stundenlanger Fast-Dauerblitz weckten uns immer wieder auf. Bedenklich wurde es erst, als ich gewohnheitsmäßig zur Fernbedienung für die Klimaanlage griff, um den Raum zwischen zwei Schlafeinheiten schnell mal 5 Minuten runterzukühlen, und diese nicht funktionierte. Ein Stromausfall der gesamten Apartmentanlage! Solche Unwetter im Ausland finde ich immer ein wenig beunruhigend – vor allem, wenn man bedenkt, dass derzeit gerade die Hurricans in dieser Region wüten. Wir hatten lange überlegt und uns dann doch für die Karibik entschieden, da Curacao als eine der wenigen Inseln keine Hurricans abbekommt. Das scheint auch zu stimmen, aber selbst die Ausläufer fühlen sich seltsam an. Dabei hätte für uns alles viel schlimmer kommen können. Unsere erste Präferenz für den Herbsturlaub war South Carolina, wo man jetzt von New York abwärts wegen Hurrican "Sandy" bangt und Tausende Menschen evakuiert und sogar Börse und UN Hauptquartier schließt.
Wie auch immer: Es hat also über Nacht tatsächlich mal ein paar Grad abgekühlt und unsere Wäsche auf der Wäscheleine besteht jetzt zu 100% aus karibischem Regenwasser.
Diese Überschrift entstand aber auch vor dem zweiten Unwetter aller Unwetter, das wir zwar nicht live miterlebten, weil wir gerade 40 Autominuten entfernt davon einen neuen Strand, den angeblich so schönen Mambo Beach, erkundeten. Umso schlimmer die Überraschung beim Heimkommen: weite Teile des Wohnzimmers und quasi das gesamte Schlafzimmer standen unter Wasser, die Tische und Stühle waren quer über die Terrasse gefegt und teilweise zerlegt worden und der gesamte Parkplatz stand hoch unter der Wasser. Scheinbar machen sich die Ausläufer des Hurricans auch weiterhin bemerkbar; es sanken einige Schifferboote unter der Last der Wassermassen, die in nur zwei Stunden hier heruntergingen; ein Baum im benachbarten Restaurant stürzte nach einem Blitzschlag um und zerstörte eine Mauer – je näher wir unserem Apartment kamen, desto wüster sahen die Straßen aus. Anfangs nur feuchte Straßen wurden mit jedem Meter nasser, schlammiger, sumpfiger. Wir sind glimpflich davon gekommen, obwohl es sich komisch anfühlt, irgendwie doch mitten drin im unberechenbaren Geschehen zu sein. Insofern stimmt an der heutigen Überschrift am ehesten das "Ach" und wir haben ein ganz klein wenig den Eindruck, in diesem Urlaub Miniausgaben diverser "mishaps", reisetechnischer Unglücksfälle, anzuhäufen, von Erkrankungen vor und während der Reise und verlorenem Gepäck bis hin zu unvorhersehbaren Wetterverstörungen. Aber worüber würden wir sonst schreiben?
Weitere Erkenntnisse des Tages:
– Durch eine verstopfte Nase kann man keine Taucherbrille ansaugen.
– Blaue Neonfische sind trotzdem sehr geil. Etwas fischtechnische Bildung würde nicht schaden, Beschreibungen wie "und dann habe ich noch so ein längliches, schlangenartiges Ding mit gelben und schwarzen Streifen oder Punkten gesehen" erfordern vom Gegenüber mehr Vorstellungskraft, als man erwarten darf. Ob es Muränen waren? Oder doch ein gestreifter Ritterfisch (Equetus acuminatus)? Sachdienliche Hinweise auf die Identität dieser beeindruckenden Meeresbewohner werden gerne entgegen genommen!
– Ein Tag ohne Leguanfoto ist ein leerer Tag. Wenn keine Leguane in Sicht sind, kann man sich aber auch mit den hiesigen Gelbbauchvögeln vergnügen. Diese heißen übrigens Turpiales und die Verwechslung mit Tilapia lag nahe, hätte aber einen Fisch bezeichnet.
– Mit etwas Ausdauer lässt sich hier zumindest ein winziges karibisches Kochbuch auftreiben.
– Apotheken heißen hier Botika und ähneln Minidrogerien, wie es sie in Österreich in den 1970er Jahren gab – nur dass man als Patient keine kleinen Liliputdrops geschenkt bekommt und die Verkäuferinnen im hiesigen Tempo versuchen, die Kreditkarten durch Hypnotisierung authentifizieren zu lassen, aber ich vermute, dass die Hypnose bestenfalls bei einer Echtzeithypnose funktionieren könnte, nicht aber im Zeitlupentempo.
– Hier haben sogar die Medikamente eine hübsche karibische Farbe. Trotzdem hoffe ich sehr, dass sie bald helfen. Ich führe mit Verkäufern lieber Gespräche über die Farbe von T-Shirts oder Geschirr als über den Inhalt meiner Atemwege.
– Mit internationalen Magazinen, die unser Stammsupermarkt "Centrum", den wir mittlerweile sogar ohne größere Umwege fin den, heute ausnahmsweise führt, kann man auch einen kleinen Urlaubshänger im Handumdrehen und Seitenumblättern überstehen. Auch wenn Ideen für ein Weihnachtsmenü bei diesen Temperaturen eher unangebracht scheinen.
– In der Karibik lernt man rasch, was ein verkehrtes Schihüttenphänomen ist. Das ist jenes Phänomen, bei dem man sich in Anbetracht der enormen Hitze unter der Klimaanlage zusammenrottet, bis mindestens eine Person einen steifen Nacken oder eine abgefrorene Nase hat.
– Außerdem entdeckt man rasch die eine oder andere Marktlücke: Besonders empfehlenswert wäre hier die Entwicklung von kleinen Moskitoscheuchen, die man mit Saugnäpfen am müden Körper befestigt, um sich alleine durch das leichte Atmen alle Moskitos vom Leib zu halten (Copyright Andrea, who else?).
– Auch mit der Erfindung hitzeresistenter, erst im Mund schmelzender Schokolade könnte man hier Furore machen – mindestens ebenso wie mit wirklich brauchbaren Online-Fischbestimmungskarten, für die man keine Lupe benötigt.
– Strände, die von amerikanischen Reisegruppen aufgesucht werden, verlieren ihre Authentizität im Handumdrehen, geben aber ein Panoptikum der Turnschuhe-mit-weißen-Socken-Kombinationen ab. Daraus ergibt sich: Der Strand "Cas Abou" vom ersten Tag (Stichwort: Ich nenne es Das Paradies) bleibt die unangefochtete Nummer 1, denn auch der Grote Knip gestern Abend kam auch nicht annähernd an den Cas Abou heran.
– Bitter Lemon on the rocks schmeckt köstlich, holländische Snacks wie Kipcorn (Hühnchenmasse in Cornflakes-Panier in Würstchenform) und Bamiblok (asiatische Nudeln mit Schärfe zu hamburgerartigen Laibchen geformt und frittiert) sind gewöhnungsbedürftig.
– Tamarindenbäume mit Papageien drin sind toll, regendurchweichte und mit Schlamm vollgesaugte Sitzkissen weniger.