"London calling" hieß es für uns von Freitag bis Montag. Und das, was London neben superlauten, superungastlichen Superbaustellen in Vorbereitung auf Olympia 2012 zu bieten hatte, war unglaublich: 4 ganze Tage mit blauem Himmel und Sonnenschein und nur gelegentlich verirrten Wölkchen. Erst 2 Schritte vor Erreichen der U-Bahn-Station, um zum Flughafen zu fahren, setzte der Regen ein. Ich war begeistert.
Weniger begeistert war ich von unserem Hotel. So unfreundliches Personal habe ich noch nie erlebt, wirklich: noch nie. Auf die Frage, ob wir angesichts des die ganze Nacht dröhnenden Straßenlärms das Zimmer wechseln können, hieß es: "Sie werden sich schon daran gewöhnen." Als ich mit frisch gewaschenen, also nassen Haaren vor dem Portier stand und fragte, ob es denn einen Föhn gibt, da der im Zimmer nicht funktionierte, meinte er: "I am only the receptionist" und würdigte mich keines weiteren Blickes mehr. Und das bei einer Morgentemperatur von gerade mal 8 Grad mit hohem Verkühl-dich-Faktor! Für die Gepäckaufbewahrung am Abreisetag wurden uns 5 Pfund verrechnet, aber auf unsere Bitte um eine Rechnung (schließlich wollten wir gerne einen Beweis in der Hand haben, dass wir tatsächlich Gepäck hier deponiert hatten) hieß es: "No receipt."
Überhaupt: das Hotel. Es wirbt in großen Tönen für seine neu renovierten (lach! oder zählt zarter Schimmelbesatz im Bad bereits als Renovierung?) Zimmer mit "full kitchenette" für Langzeitgäste. Diese verbirgt sich im einzigen Schrank im ganzen Zimmer, sprich: statt Fächern und Kleiderstange hat man nun Waschbecken, Kühlschrank und Mikrowelle. Aber es gibt ohnehin nur Tassen und weder Teller noch Besteck, geschweige denn einen Tisch oder Stühle. Das Gewand muss man auf 4 Kleiderhaken hängen, die an 2 Nägeln in der Wand angebracht sind. Wie das gehen soll, wenn es womöglich regnen sollte, weiß ich nicht, denn das Gewand würde direkt vors Bett tropfen. Wo die Langzeitgäste ihr Gewand verstauen würden, wenn sie sich denn an den Straßenlärm und das unfreundliche Personal gewöhnen würden, weiß ich nicht. Also bitte bitte fernhalten vom Kensington Suite Hotel in der Holland Road, auch wenn die Lage nahe des riesigen Westfield Shopping Centre mit tollen Geschäften und Lokalen einen Anreiz darstellt.
Abgesehen davon volles, fast zu volles Programm: vom dekadenten Afternoon bei Fortnum & Mason (Dresscode: "we ask both sexes to lean toward elegance" und weder Strandbekleidung noch zerrissenen Jeans zu tragen) und Besuchen anderer köstlicher Bäckereien (Love Bakery, Bea's of Bloomsbury, Hummingbird Bakery) bis zu Kaufhäusern mit wunderbaren Schaufenstern, tollen Stoffen und gewaltigen Lebensmittelabteilungen, von Parks mit Liegestühlen, dem London Eye mit herrlichem Ausblick über die sonnenbeschienene Stadt bis hin zu ganz unterschiedlichen Märkten (Designermarkt Spitalsfield, quirliger Alles-Markt Brick Lane, wo man auf dem Gehsteig sitzend sein frisch zubereitetes Essen genießt), von Spaziergängen an der Themse und in Chinatown bis zu unzähligen unterirdischen Meilen zu Fuß von einer U-Bahn-Linie zur nächsten – wir haben nichts ausgelassen und doch wieder nicht alles gesehen oder getan. Wir haben der englischen Küche mehrfach Abbitte geleistet und die neuartigen Erziehungsversuche in vielen Geschäften in Form des Self-Checkout mehrfach verflucht: man scannt seine Waren an einem Schalter selbst und zahlt dort auch. Nur leider funktioniert das nie ohne Hilfe eines Mitarbeiters, schon gar nicht mit ausländischen Kreditkarten. Wir haben uns Blasen an den Füßen und gute Ideen geholt und sind wieder mal zur Erkenntnis gekommen, dass mir mein Reisegesicht besser steht als mein Arbeitsgesicht und es kaum einen größeren Luxus gibt als pünktliche Flüge, eine Vielfliegerkarte für die Fast Lane am Flughafen und beim Heimreisen zu wissen, dass der nächste Urlaub nur mehr drei (ja 3!) Monate entfernt ist!
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