Komisch: ich hatte keine genauen Vorstellungen von Dubai und doch ist jetzt alles ganz anders als erwartet. Wie das geht? Keine Ahnung. Ich kann es nicht einmal genau benennen, aber ich hatte es mir anders vorgestellt.
So kommt es, dass ich fast ein klein wenig enttäuscht bin, weil ich noch kein einziges Auto hupen gehört habe, geschweige denn 20 gleichzeitig, weil ich als Fußgänger noch von keinem Auto in Lebensgefahr gebracht wurde (was nur bedingt auf meine umsichtige Querungstechnik zurückzuführen ist), weil ich noch keinen Sonnenbrand habe und auch keine klimaanlagenbedingte Erkältung. Dass es überall sehr leise zugeht, ob unter den Autos oder den Mensch. Selbst auf den Souks. Dort wiederum interessant: die polyglotten Verkäufer, die lockere deutsch-österreichisch-schweizerische Sprüche zu ihren Gewürzen loslassen, von "Schaumamal" bis "Safran macht den Kuchen gelb". Diese sind bislang auch die einzigen aufdringlichen und lästigen Typen hier, kein Vergleich zu den von mir aus Marokko und Südostasien erwarteten "Looooook my shop" und "Let me show you something you don't need" Ansagen. Doch nicht nur verbal sind sie für Überraschungen gut, auch ihr Sortiment lässt uns staunen: Sack um Sack um Sack voller Gewürze, Weihrauch, Myrrhe und mitten drin dazwischen eine Reihe Hornhautraspeln! Eine Fehllieferung? Neuartige Muskatnussreiben? Oder doch ein für uns nur nicht nachvollziehbarer Zusammenhang von samtweicher Haut und Weihrauchgaben?
Womit ich allerdings auch nicht gerechnet hatte, sind etwa die nach Geschlecht getrennten Gebetsräume (okay, nicht mein erster Gedanke beim Aufstehen), Gym-Trainingsräume im Hotel und selbst geschlechtergetrennte U-Bahn-Züge: Frauen und Kinder, die unter sich, also unbemannt sein wollen, haben einzelne Bereiche in den U-Bahnen für sich. Hmm, schon etwas gewöhnungsbedürftig. Ebenso der Anblick von Männern in bodenlangen weißen Kaftans, rot-weißen Arabertüchern auf dem Kopf mit schwarzem Stoffring drumherum (banausenhaft, die Benennungen, ich weiß, ich werde mich bald weiterbilden, versprochen!), die dann in einer Hand eine Eistüte halten und in der anderen ein Handy. Irgendwie passt das nicht in mein scheinbar immer noch viel zu enges Weltbild, für mich unkonventionelle Spielregeln in U-Bahn, Technologie und Ernährung einerseits, aber höchst konventionelle Kleidung und Sitten andererseits.
Ebenso befremdlich finde ich den Anblick der ganzkörperverhüllten Frauen, von denen man nur die Augen, Hände und Fußteile – oft in den knalligsten Farben bemalt – sieht, sowie oft mittelälterliche, rundliche Frauen, die in den Nobel-Patisserien und bei den edelsten Chocolatiers einkehren, verkosten und verkaufen. Ungewohnt, weil unser Malaysia-Besuch ja doch schon ein paar Jahre zurückliegt, auch die chronische Klopapierunterversorgung an öffentlichen Orten, aber auch im Hotel. Schließlich gibt es überall die von den Moslems bevorzugten Duschen zur Reinigung – wer braucht schon Klopapier? "ICH!", will ich laut rufen, wenn ich eine weitere Klokabine frustriert verlasse, weil ich mir nicht ausmalen möchte, welches Wasserbad man beim ersten Mal mit der Dusche anrichtet, wenn man zeit seines Lebens immer auf Trockenreinigung gesetzt hat und auch kein dringendes Bedürfnis hat, seine gesamte Kleidung mitzuduschen.
Dazu eine riesig weit ausgedehnte Stadt, die zwischen Baustellen und leeren sandigen Flecken unglaublich begrünte und beblümte Stellen aufweist. Ganze Kreisverkehre sind palmengesäumt und diese wiederum von rosa und lila Petunien-Blümchen umgeben, alles eingebettet in ein dichtmaschiges Bewässerungssystem.
Derzeit beginnt hier die große Angst. Die Angst vor dem Sommer, wo es dann definitiv zu heiß ist, um auf Freiluftmärkte oder in Freiluftlokale zu gehen – auch das ein interessanter und mir bislang unbekannter Aspekt des Sommers. Dieser Jahreszeitenwechsel geht leider, so erklärt man uns, mit einem sehr diesigen Wetter einher: blauer Himmel ist eine Seltenheit, die Sicht ist sehr schlecht, was dafür sorgt, dass die Skyline im Hintergrund immer aussieht wie ein ausgewaschenes Vorkriegsfoto mit Science-Fiction-Charakter.
A propos Charakter: neben der Tatsache, dass ich keinesfalls längere Zeit in einem Land leben könnte, wo man das Leitungswasser nicht trinken kann, ist vor allem die Charakter- und Kulturfrage für mich ein Problem. Vielerorts spricht man nicht mit mir. Einfach so. Einfach weil ich eine Frau bin. Okay, Blog-Leserinnen wissen, dass es mir auch beim Radhändler in Wien ansatzweise so ergangen ist, aber hier ist das eine andere Dimension. Wenn ich hier als Erste in die übrigens sehr günstigen Taxis steige und unseren Zielort nenne, glaube ich immer, auf taube Fahrer gestoßen zu sein. Weit gefehlt: es sind lediglich Fahrer, deren Gehör kulturell bedingt erst einsetzt, sobald eine sonore, männliche Stimme einen Wunsch äußerst. Das gilt übrigens auch für Infostellen, Gemüsehändler und alle Verkäufer, die kein ganz großes Defizit haben und es sich leisten können, auf eine willige Kundin wie mich zu verzichten.
Verzichten tun wir heute auch auf unseren ostersonntäglichen Strandbesuch, d..h. wir besuchen ihn, spazieren herum, stellen fest, dass man hier keine Badetücher kaufen kann und dafür keine Fotos machen darf. Die Erklärung: wie wir vermuten, wieder einmal kulturelle Aspekte.
Ebenfalls in diesem Ausmaß unerwartet ist der Melting Pot, der sich hier in Restaurants, Geschäften und Gästen zeigt. Es gibt Supermärkte, Geschäfte und Services aus allen Ländern und für alle Nationalitäten, im Buchladen bekommt man sogar deutsche Zeitschriften für deutschsprachige Expats, es gibt englische, amerikanische, australische und französische Kaufhäuser, Supermärkte und Restaurants, darunter eine für eine heiße Gegend wie Dubai unglaubliche Fülle von Patisserien und Chocolatiers, die Shopping Malls warten mit Eisring und Skipisten und Aquarien im amerikanischen XXXL-Stil auf und wer wie wir unschuldig durch ein Einrichtungs- oder Küchenartikelgeschäft schlendert, wird sofort für einen Expat gehalten und gefragt, seit wann wir denn in Dubai zuhause sind und arbeiten.
Doch nicht nur In- und Ausländer, auch Alt und Neu, Antike und Moderne prallen hier aufeinander – und das ohne jegliche offensichtliche Reibungspunkte. Minirock neben Burka, Shish Kebab neben California Pizza Kitchen, Fahrrad neben Limousine, U-Bahn neben Wassertaxi, Souk neben XXXL-Supermarkt, Sandwüste neben picobellosauberen Highways, faszinierend! Und das ist erst ein erstes Fazit nach 2 Tagen…
Wir haben uns dem hiesigen Lebensrhythmus in einer Hinsicht schnell angepasst: gegen Mittag suchen wir eine der sehr human und nicht kualalumpesisch auf Touristentiefkühlen gestellte Shopping Malls heim, wo die Temperatur weitaus erträglicher ist und die Wüstenwinde kurzfristig vergessen sind (zumindest bis zur nächsten Kopfschmerztablette) und erst nachmittags mit Tüten diverser Läden (schon mal von Candylicious gehört?) in die Hitze wagen, um dann bei der nächstbesten Gelegenheit auf ein schattiges Häppchen einzukehren.
Mit dieser Fülle an Eindrücken geht also einer der denkwürdigeren Ostersonntage meines Lebens zu Ende. Hier noch ein paar fotografische Impressionen…