Zugabe!

Geniale Konzerte wie das von STING gestern Abend können einen auch nachdenklich stimmen! Mit dem Royal Symphonic Concert Orchestra zaubert er Klänge hin, dass ich eine Gänsehaut bekomme. Während nach mehreren Nummern das Publikum johlt, tobt, trampelt und das vom letzten Schwimmtraining in den Ohren verbliebene Restwasser sich mit den Schallwellen der Menge zu einem ziemlichen Rauschen auswächst, schließe ich für einen kurzen Moment die Augen. Und träume. Stelle mir vor, dass die Tausenden Fans jetzt mir zujubeln. Mich anfeuern. Von mir eine Zugabe fordern. Eine Zugabe!

Bloß: wobei oder worin?

Gesang können wir leider definitiv ausschließen. Auch ob ich je einen Kunden so von meinen Übersetzungen begeistern werde können, dass dringend nach einer Zugabe gefordert wird – mit Stampfen und Johlen – wage ich zu bezweifeln.

Irgendwie klappt auch die Vorstellung nicht ganz, dass Tausende Menschen (gleichzeitig, wenn möglich!) nach einer Zugabe meiner selbst gesiedeten Seifen fordern, auch wenn die neueste Kreation mit herrlichem Orangen-Zimt-Duft wirklich hervorragend ist. Aber "Sah-ne-tuff, Sah-ne-tuff!" würde sich zumindest rhythmisch ganz gut statt "Zu-ga-be!" machen. Und ich? Würde dastehen, mit meinen von oben bis unten sahnebekleckerten orangen Gummihandschuhen und die Seifensahne noch euphorischer als sonst durch die Sterntülle jagen!

Etwas nüchterner betrachtet, um nicht "ernüchtert" zu sagen, komme ich am ehesten wohl noch mit meinen legendären Chocolate Coconut Friands hin. Denn davon hat noch jeder Verkoster ein zweites gefordert – was aber nicht notwendig war, da ohnehin immer reichlich Friands für alle Gäste vorhanden sind. Und ob die gekreischten Forderungen nach "Choc Fri-ands, Choc Fri-ands" bei mir ein ähnliches Feeling aufkommen lassen könnten, wie es STING wohl auf der Bühne gehabt haben muss, steht ebenfalls in den Sternen. Aber ich bin sicher, meine Gäste würden sich Mühe geben: würden begeistert ihre Handy-Displays schwenken (schließlich sind sie mehrheitlich Nichtraucher und somit nicht im Besitz von Feuerzeugen), um den zuvor abgedunkelten Raum mit echten Konzertlichtspielen zu erhellen und echtes Star-Feeling aufkommen zu lassen.

Dann wäre da noch meine Nichte. Vielleicht könnte man ja ihre Forderungen nach "Muffin mit Sprinkles"-Backen als Zugabe-Aufforderung auffassen? Möglich oder sogar sehr wahrscheinlich, dass ich sie sogar dazu bewegen kann, lautstark kreischend danach zu verlangen, aber wo sind die anderen 4999 Mitrufer? Oder ihre durchaus eindringlichen Bitten um weitere Folgen von "Peppa Pig" auf Video, weiteren "Treasure Hunts" oder anderem Kinderkram? Echt überzeugend und echt süß, aber leider nicht wirklich stargefühlstauglich.

Bleibt noch meine Schwimmtrainerin. Ja, sie ist es wohl, die mir dieser Tage am ehesten Zugaben abverlangt. Euphorisch kreischen oder mit ihrem Handy die allerdings wirklich immer spärlich beleuchtete Schwimmhalle erhellen hab ich sie allerdings auch noch nie erlebt, wenn sie nach 60 Minuten Keuchen und Schnaufen meinerseits gemeint hat: "Jetzt noch zwei Längen Rückenschwimmen mit den Beinen voran!" (Wer hier jetzt gewisse Vorstellungsschwierigkeiten hat, darf sich getröstet fühlen: auch nach 1 Jahr Training muss ich immer noch sehr gut überlegen, wie ich diese Übung angehe!) Irgendwie beschleichen mich recht laute Zweifel daran, dass Schwimmendorphine überhaupt derselben Gruppe angehören wie Konzertauftrittsendorphine. Doch das werde ich wohl nie feststellen.

Was bleibt also vom Traum der "15 minutes of fame", die laut Andy Warhol ja jeder Mensch einmal in seinem Leben hat? Hatte ich meine womöglich schon? Sind sie mir entgangen? Oder war es vielleicht eines der legendären Volleyball-Matches zu meinen aktiven Zeiten bei WAT Kagran, wo das männliche Anfeuerungsteam vor lautstarkem Lachen von der Zuschauerbank gekippt ist? Muss wohl noch mal darüber nachdenken. Doch bevor ich angesichts der düsteren Aussichten zu bluesen beginne, freue ich weiter über das gestrige Konzert, die heutige Orangen-Schoko-Seife und meine Stammbäume (ja, ich habe mehrere!), die mich hoffentlich morgen noch einmal bei Novembersonnenschein auf der Donauinsel erwarten. Wie oft gibt es schon Novembertage mit 18 Grad? Voyeuristisch, wie ich manchmal bin, möchte ich ihnen noch ein letztes Mal heuer bei ihrem kessen Striptease zusehen. Dann kann von mir aus der Winter kommen – ich bin bereit! Dann ist endlich Zeit, mich weiteren Seifen-, Back-, Strick- und Bastelorgien hinzugeben und mir über eine andere, ganz zentrale Konzertfrage den Kopf zu zerbrechen: Warum sehen Bassisten grundsätzlich aus wie eine Überdosis Schlaftabletten auf Beinen? Sachdienliche Hinweise dazu werden übrigens gerne entgegen genommen. Ich revanchiere mich gerne mit einem Stück Seife!

 

 


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