Einmal Sambesi und zurück

Nein, wir sind nicht schon wieder auf Urlaub, aber wir machen auch an diesem schon grauen Samstag, was ich die letzten 3 Monate am besten gemacht habe: Kilometer, genau genommen Kilometer 1434 bis 1464.

Angesichts des Sturms verzichten wir auf eine Ausfahrt entlang der Donau, sondern fahren entlang des Marchfeldkanals. Dort kommt es auch zu einem interessanten Deja-vu. Wir radeln gerade so über eine Sand-Schotter-Piste, rechts von uns der Kanal, links von uns eine überwucherte Böschung, als es mich ereilt. Aus der Böschung kommt ein hohes, dunkles Etwas auf vier sehr langen Beinen, das zielstrebig, ohne uns eines Blickes zu würdigen, geschweige denn unseren Vorrang zu beachten, den Weg quert und seinen Trampelpfad zum Kanal sucht. Ich sehe das sehr große, sehr schnelle aber auch sehr anmutige Tier an und auch, wenn ich seinen Rüssel vermisse und sein Fell nicht angemessen rau ist, wie es sich angesichts meine Deja-vus gehören würde, fühle ich mich für einen kurzen Moment zurückversetzt an den afrikanischen Sambesi in Botswana, wo mich einst eine Elefantenherde böschungsseitig überrascht und beinahe überrannt hatte, als sie zum Fluss wollte, ich aber nichtsahnend, naiv und versehentlich auf ihrem Trampelpfad stehend nach Nilpferden Ausschau hielt. Auch die wüstenartig verwaisten weil abgeernteten Felder erinnern mich heute ein wenig an Afrika, bloß Giraffe kann ich weit und breit keine entdecken.

Etwas später dann ein Deja-vu aus Rügen: Max entdeckt einige Sanddornsträuche, von denen wir gar nicht wussten, dass es sie auch in Österreich gibt! Auch der Wind hält durchaus mit Rügener Verhältnissen mit. Was fehlt, sind die vielen Briefkästen, die es in Rügen in den einsamsten Gassen gab, zumeist kurz vor den schlechtesten Straßen, die ich jemals beradelt habe. Für den letzten WIllen vielleicht? Zeit genug hatte man jedenfalls beim Raufschieben, sich darüber ausführlich Gedanken zu machen. Wie die deutsche Post die Fülle an Briefkästen administrieren kann, ohne in Konkurs zu gehen, ist mir sowieso ein Rätsel. Oder wird hier, also dort, auf Rügen, noch so viel mit der Hand geschrieben, dass die Briefträger tatsächlich tagein, tagaus auch in den entlegensten Briefkästen Hunderte Briefe vorfinden, die dringend befördert werden müssen – etwa zum Notar, der den letzten Willen beglaubigen soll?

Die heutige Ausbeute jedenfalls sehr erbaulich: neben den 30 km, die mich dem Monatsziel von 500 September-Kilometern um einiges näher gebracht haben waren es 2 Kukuruz, die sich bei näherer Betrachtung eher als Schweinenahrung anzubieten scheinen, ein Ast Sanddorn für Fotozwecke (endeckt dank unseres seit Rügen sanddorngeschulten Auges) und 5 letzte Sommergladiolen von dem einen Feld, wo diese noch reichlich blühen.

Während der für den Abend versprochene Regen bereits am Nachmittag einsetzt, als wir uns schweren Fußes zum Einkaufen begeben, freuen wir uns: erstmals seit gefühlten 100 Jahren wie faule Studenten bis 10 Uhr vormittags im Bett rumgekugelt, bis wir die Zeitungen fast aufsagen konnten, dann 30 km geradelt, ohne nass zu werden und immer noch (fast) einen halben Tag vor uns. Der Topfen-Marillen-Kuchen im Backrohr, der bereits herrlich zu riechen beginnt, ist der einzige Grund, mich heute nochmal vom Sofa zu erheben, denn ich habe meinen Sofaplatz mit ausreichend Büchern bestückt, dass es kaum andere Notwendigkeiten geben kann, dieses Wochenend-Cocooning zu unterbrechen. Ich hab ja gesagt: irgendwie freue ich mich erstmals ein bisschen auf den Herbst! Und wenn ich in wenigen Stunden dann angesichts der aktuellen Starkregenwarnung für Wien auch noch meine neuen Gummistiefel ausführen dürfte (aber, juchu, nicht MUSS) hat der Herbst wirklich einen Sinn.


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