Der Putzfrauenschrank

Panik! Wahnsinn! Die vier putzfrauenfreien Wochen sind vorbei. In 2 Stunden kommt das Goldstück endlich wieder. Ich würde sie ja lieber Zugehfrau nennen, aber mit Zugehen hat das im Moment bei uns nicht viel zu tun. Zugehen kann man nur, wenn man auch das Zu- und vor allem Drübersteigen beherrscht. Gut beherrscht, denn es soll ja nichts kaputt gehen. Auch Assistentin wäre zu hoch gegriffen, würde das doch nahe legen, dass sie mir beim Putzen assistiert, was ja nicht Sinn der Sache ist. Am besten ist, sie kommt, putzt und geht. Ein paar motivierende und positiv bestärkende Worte sind auch okay. Von ihr an mich, wohlgemerkt, denn schließlich habe ich seit zwei Tagen nichts anderes getan, als Platz gemacht, weggeräumt, zusammengeräumt.

Habe das Wohnzimmer soweit von Wollknäueln und Stricknadeln und Strickanleitungen befreit, dass mir erstmals seit Wochen bewusst wird, dass sich unter all der Wolle ein eigentlich ganz hübscher Couchtisch befindet. Habe all diese Knäuel mühsam in eine viel zu kleine Tüte gestopft, die Stricknadeln mikadogleich obenauf balanziert, bin hilflos 10 Minuten mit der überquellenden Stricktüte herumgestanden und hatte nur einen Wunsch: einen Platz, wo ich diese unterbringen kann. Unentschlossen stelle ich den Karton in die Küche.

Stehe in der Küche, versuche festzustellen, was man wegräumen könnte, damit es auf einen Schlag etwas aufgeräumter aussieht. Mein Blick fällt zuerst auf den Karton mit den Stricksachen, dann auf die Uhr. Noch 1 Stunde, dann kommt die Putzfrau. Während ich versuche, mir mit den Stricknadeln weder ein Augenbrauen- noch ein Nasenpiercing zu verpassen, läutet es an der Tür. Das auch noch! Nachdem ich dem Briefträger, dem das Chaos auf meinem Boden augenscheinlich nicht entgeht, versichere, dass ich auch morgen noch hier wohnen werde und er nicht gerade Augenzeuge des GUU (größten ungeplanten Umzugs) wird, mache ich mich wieder ans Werk.

Nötige den Liebsten, 3 Säcke Altpapier zu entsorgen – die große Entsorgung diesmal, nicht nur bis vor die Wohnungstür. Nötige mich, was noch viel schwieriger ist, alle herumliegenden Zeitschriften zu stapeln, zuerst nach Thema, dann nach Sprache, und als alles nichts hilft und die Stapel weiterhin vorn- oder hintenüber kippen, doch nach Größe. Stehe ratlos im Zimmer und habe nur zwei Wünsche: zurück ins Bett, Decke über die Nase oder zweite Möglichkeit: einen Platz, wo ich die Sachen so unterbringen kann, dass ich sie gleich nachdem die Putzfrau das Haus verlassen hat, schnell wieder herausnehmen und auf dem Boden verteilen kann. Vor meinem geistigen Auge, und leider nur vor diesem, entsteht das Bild eines beliebig erweiterbaren Putzfrauenschranks, ähnlich den erweiterbaren Textilkoffern und Wohnmobilen mit seitlich ausfahrbarem Wohnzimmer. Versuche angesichts des Fehlens eines solchen Putzfrauenschranks das Stapelmanöver nun auch mit den Büchern, was angesichts der erheblichen Größenunterschiede weitaus schwieriger ist, schlichte diese dann umständehalber in einen leider etwas klein geratenen Karton, der mit jedem Buch schwerer zu halten und schwerer zu balanzieren wird. Stehe schon wieder da, ratlos, nach einem Plätzchen suchend, wo ich die Bücher für die vier Stunden Putzfrauenbesuch verstecken könnte. Was könnte ich bloß zu einem Putzfrauenschrank umfunktionieren?

Mit einer genialen Idee bewaffnet schleppe ich Kisten, Tüten, Stapel ins Schlafzimmer, schlage die Bettdecke hoch und beginne – nachdem ich einige vom Liebsten versteckte Dinge: Pyjamaober- und unterteil – zur Seite gerutscht habe – meine Tüten, Kisten und Stapel möglichst gleichförmig auf das Leintuch zu verteilen. Schwupps, Decke drüber und weg! Erleichterung macht sich breit. Zumindest bis ich beim Verlassen des Zimmers einen hochzufriedenen Blick auf dieses Putzfrauenzwischenlager werfe und feststelle, dass die Bettdecke aussieht, als ob eine hochschwangere Elefantenkuh darin liegen würde und entdecke, dass einiges neben dem Bett lag, was ebenfalls verstaut gehört. Kleine Hanteln, Thera-Band – warum habe ich die Sportgeräte eigentlich je neben dem Bett deponiert? – bilden bald gemeinsam mit einigen DVDs und CDs ("einige" ist wohlgemerkt ein euphemistischer Begriff) ein Elefantenbaby, das es sich neben der Mama in meinem Bett gemütlich macht. Ob ich jemals die Kraft aufbringen werde, die beiden aus meinem Bett zu vertreiben?

Fürs Erste lasse ich die beiden aber in Ruhe und wende mich dem Badezimmer zu. Angefangenes Sportgewand, soll heißen: bereits getragen, aber nicht mehr schrankfein, aber auch noch nicht wäschekorbreif, bildet gemeinsam mit einem bunten Liegetuch (untrüglicher Ausdruck meines unendlichen Optimismus: vielleicht kommt der Sommer ja doch noch einmal wieder?) ein kleines Nilpferd in meinen Armen. Ich, wieder, ratlos, hilflos. Wohin damit? Nilpferd und Elefanten – ob das zusammengeht? Ich nehme mir fest vor, bald konkreter über das Projekt Putzfrauenschrank nachzudenken – und wenn ich schon dabei bin, vielleicht auch gleich über einen Schwiegermutterschrank.

Schnell reift in mir das Plädoyer zugunsten dieser hochmodernen Schrankreihe, das ich den Designern und Designerinnen von heute zu übermitteln gedachte. Obschon: das könnte marketingtechnisch vielleicht etwas anspruchsvoll sein, denn man will ja nicht, dass sich der geneigte Konsument falsche Hoffnungen macht, er könne die Schwimu einfach so in den Schrank stellen. Nein, im Ernst, das Projekt Schwimuschrank ist noch weitaus komplexer als das des Putzfrauenschranks. Denn wie kommt der ganze Staub – möglichst von selbst, aber ich will ja nicht unbescheiden sein – mitsamt den ganzen Lurchkugeln in den Schrank? Während die Putzfrau all diese unliebsamen Zeitgenossen ja unbedingt entdecken soll, ist dies bei der Schwimu ja weitgehend unerwünscht. Nicht immer kann ich auf das Glück von letzten Ostern setzen, als sie mit der falschen Brille angerückt war und nur die Staubschichten im Haus auf der anderen Straßenseite ausnehmen konnte. Bevor ich diese Gedanken zu Ende denken kann, entdecke ich einen weiteren Stapel. Papier. Noch mehr Papier. Rausgerissene Seiten, die seit Wochen, ja Monaten, darauf warten, abgelegt zu werden. Resignierend setze ich mich zu ihnen, beginne ratlos darin zu wühlen, interessiert darin zu lesen, finde Oster- und Weihnachtsideen, Rezepte für Sommerfeste und Punschpartys. Lege in Windeseile einen Stoß für die Ablage an, einen für die Abarbeitung, einen für – als ich gerade beginne, den Überblick endgültig zu verlieren, läutet mein Telefon. Über die Stapel tempelhüpfend finde ich dieses erstaunlich schnell. "Hallo", meine einfallslose Begrüßung. Keiner dran. Auch gut. Oh, jetzt blinkt mein Telefon. Was ist das denn? Ich rufe den Liebsten an, um zu fragen, was das Blinken bedeutet. Noch 15 Minuten.

Mann sagt, blinkendes Handy hat keine Bedeutung. Legt auf. Lege auf. Keine Bedeutung? Macht mich verrückt. Suche Bedienungsanleitung oder etwas Anderes, was ich aufs Handy legen kann, damit ich das Blinken nicht mehr sehe. Daran sollte es nicht mangeln. Obwohl: die Wolle habe ich jetzt so schön in den Karton gestopft – die nehm ich nicht mehr heraus. Die Bücherstapel sind viel zu schön sortiert, die nehm ich nicht mehr auseinander. Kurz vor der rettenden Idee, das Handy einfach unter die Wollknäuel in die Kiste zu stopfen, rutscht es mir aus der Hand, auf den Boden. Fiep-fiep. Das Blinken hört auf. Endlich. Auf der Anzeige eine Nachricht: "Bin krank. Kann heute nicht kommen."